Abwägungsfragen, Badawis Haft ist illegal, Twittern über Tor-Netzwerk

1. “Ein Symbol dieses Krieges”
(tagesspiegel.de, Kurt Sagatz)
Trigger-Warnung: Im verlinkten Beitrag ist ein Foto eingebaut, auf dem erschossene Menschen zu sehen sind.
Zu den Aufgaben der Kriegsberichterstattung gehört es, über die Schrecken des Krieges zu berichten und sie visuell festzuhalten. Doch welche Bilder kann und darf man dem Publikum zumuten? Es sind schwierige Abwägungsfragen: Wo endet die Informationspflicht, und wo beginnt der Voyeurismus? Und ist das Informationsinteresse der Öffentlichkeit wichtiger als die Interessen der Opfer?

2. Rütteln und Schütteln
(taz.de, Steffen Grimberg)
Nachdem der Kreml neue Mediengesetze erlassen hat, die bei angeblichen “Falschmeldungen” zu bis zu 15 Jahren Haft führen können, hatte sich eine Reihe von TV-und Radiosendern, darunter auch die BBC, aus dem Land zurückgezogen. Die britische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt hat sich die Sache inzwischen jedoch anders überlegt und berichtet wieder aus Russland: “Wir haben die möglichen Folgen der neuen Vorschriften abgewogen, mit der unabdingbaren Pflicht und Schuldigkeit, direkt aus Russland zu berichten”. Und nicht nur das – die BBC stellt ihr Material anderen Sendern zur kostenlosen Übernahme zur Verfügung.

3. Twitter hilft russischen Nutzern, die Zensur zu umgehen
(spiegel.de)
Russland hat nach der Invasion in der Ukraine unter anderem Einschränkungen bei der Nutzung von Twitter eingeführt. Darauf antwortet das Unternehmen nun mit einer speziell für den Anonymisierungsdienst Tor ausgelegten Version, die es ermöglicht, die Zensur zu umgehen. Der “Spiegel” erklärt, wie das Ganze funktioniert.

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4. Civey warb irreführend
(faz.net, Reiner Burger)
Das Berliner Start-up Civey führt Online-Umfragen auf Medienseiten wie Spiegel.de, t-online.de oder “Focus Online” durch, wobei die Ergebnisse unmittelbar danach angezeigt werden. In ihrer Werbung rühmten sich die Online-Demoskopen unter anderem damit, “zuverlässiger als die Konkurrenz” zu sein, womit sich diese nicht abfinden wollte, klagte und gewann.

5. Badawis Haft ist illegal
(reporter-ohne-grenzen.de)
Der saudische Blogger Raif Badawi hat seine drakonische Strafe – zehn Jahre Haft und 1.000 Peitschenhiebe – nach saudischem Recht mittlerweile verbüßt, wird aber weiterhin gefangen gehalten. Reporter ohne Grenzen verlangt seine umgehende Freilassung: “Die andauernde Inhaftierung von Raif Badawi ist empörend, nach einer Haftstrafe, die er ohnehin niemals hätte verbüßen müssen. Indem die saudischen Behörden ihn weiter gefangen halten, fügen sie ihrer langen Liste von Verbrechen gegen die Pressefreiheit ein weiteres hinzu. Doch genug ist genug – öffentliche Debatten und Journalismus sind keine Verbrechen. Badawi muss ohne weitere Verzögerung freigelassen werden!”

6. Zur medialen Kritik an der medialen Mode “Putinologie”: Der wilde Wladimir aus Leningrad
(deutschlandfunk.de, Arno Orzessek, Audio: 4:01 Minuten)
Arno Orzessek wirft einen (nicht immer ernst gemeinten) Blick auf die “Putinologie”. Darunter versteht er den Versuch vieler Medien, die Persönlichkeit des russischen Präsidenten einzuordnen.

Neue Narrative der “Querdenker”, Umzug nach Riga, Informationskrieg

1. Mehr als einhundert Journalisten haben Land verlassen
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen appelliert an die Bundesregierung, russische Journalistinnen und Journalisten unbürokratisch aufzunehmen: “Durch seine drakonischen Zensurmaßnahmen hat der Kreml seit Beginn des Angriffs auf die Ukraine eine große Zahl unabhängiger Journalistinnen und Journalisten zur Flucht ins Ausland gezwungen. Die deutsche Bundesregierung, aber auch die Regierungen benachbarter Staaten müssen diese Medienschaffenden unbürokratisch aufnehmen und ihnen Schutz bieten.”

2. Pro-russische Propaganda: Die “Querdenken”-Szene findet neue Narrative
(deutschlandfunk.de, Pia Behme & Mirjam Kid, Audio: 6:59 Minuten)
Wie kommt es, dass die “Querdenker”-Szene so empfänglich für pro-russische Propaganda ist? Die Journalistin und Publizistin Ingrid Brodnig hat eine Vermutung: “Diese Szene braucht Anschlusserzählungen, über die man sich dann wieder aufregen kann. Da ist zum einen das Klima-Thema interessant. Aber auch Russland, weil ich da wieder eine Wahrheit gegen den Mainstream habe, die ich verbreiten kann. Es kann auch eine Überlebensstrategie für die Szene sein, sich neue Themen zu erarbeiten.”

3. Wie die Deutschen in den ersten Kriegstagen fernsahen
(rnd.de)
Die von den Fernsehsendern mit der Ermittlung der Einschaltquoten beauftragte AGF Videoforschung hat auf Anfrage der dpa den Fernsehkonsum in Deutschland in der ersten Kriegswoche im Vergleich zu den Vorwochen ausgewertet. Vor allem die Nachrichtensender hatten starken Zulauf, aber auch das Interesse an den Onlineangeboten und Sozialen Netzwerken war groß. ARD und ZDF hätten bei der jüngeren Zielgruppe punkten und deutlich zugelegen können.

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4. “Man muss die Risiken abwägen”
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Mathias Bölinger berichtet seit Anfang Januar für die Deutsche Welle aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Im Interview mit dem “Tagesspiegel” erzählt er von seiner schwierigen Arbeitssituation, von Einschränkungen, aber auch von der Unterstützung durch Bewohner und ukrainischen Staat.

5. DW: Berichterstattung künftig aus Lettland nach Schließung des Moskauer Studios
(dw.com)
Die Deutsche Welle (DW) verlegt ihren russischen Auslandsstandort von Moskau ins lettische Riga. Der Kreml hatte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der DW zuvor die Presseakkreditierungen entzogen. Intendant Peter Limbourg verspricht: “Wir werden weiterhin alles technisch und organisatorisch Mögliche tun, um unser Publikum in Russland und weltweit mit wichtigen Informationen zu versorgen. Wir setzen weiterhin auf eine unabhängige, objektive Berichterstattung. Auch wenn unser Internetauftritt und die meisten Sozialen Medien von der Regierung Putin in den vergangenen Tagen blockiert wurden, gibt es für interessierte Menschen in Russland vielfältige Wege der Zensurumgehung.”

6. “Wenn man nicht in diesem Fall Pro­pa­ganda ver­bietet, wann dann?”
(lto.de, Annelie Kaufmann)
Tobias Keber ist Professor für Medienrecht und Medienpolitik. Im Interview mit “Legal Tribune Online” erläutert er sein Verständnis eines “Informationskriegs” und erklärt, wie im Kriegsfall die Informations- und Meinungsfreiheit verloren gehen. Er bewertet auch die EU-Sanktionen gegen die russischen Staatsmedien “Russia Today” und “Sputnik”: “Als Medienrechtler sehe ich das kritisch, es ist schon eine sehr weitgehende Einschränkung der Informationsfreiheit, wenn ganze Sender verboten werden. Als Völkerrechtler halte ich es für richtig. Das Gewaltverbot ist der Kern der Nachkriegsordnung der internationalen Staatengemeinschaft. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine ist ein so eklatanter Verstoß, wenn man nicht in diesem Fall den Völkerrechtbruch begleitende und ihn rechtfertigende Propaganda verbietet, wann dann?”

Putins Zensurgesetz, Initiativen für Pressefreiheit, Chinas Schlingerkurs

1. “Für Journalisten ein Berufsverbot und für Bürger ein Verbot, zu denken”
(tagesspiegel.de, Hannah Wagner)
Bereits vor den jüngsten Angriffen gegen die Ukraine war es in Russland nicht gut um die Pressefreiheit bestellt – das Land belegt Rang 150 von 180 im entsprechenden Index der Organisation Reporter ohne Grenzen. Doch nun wird alles noch einmal deutlich schlimmer: Nach Gefängnisandrohungen für angebliche “Falschinformationen” zum Krieg ziehen sich ausländische Sender aus dem Land zurück, und immer mehr kritische inländische Medien kapitulieren.

2. Die Angst Putins vor der Wahrheit
(faz.net, Berthold Kohler)
Auch die “FAZ” zieht ihre Korrespondentinnen und Korrespondenten aus Russland ab. Herausgeber Berthold Kohler kommentiert: “Ein Zeichen von Stärke ist Zensur nie. Die Maßnahmen enthüllen vielmehr, wie groß die Angst im Kreml vor der Wahrheit ist. Doch wird es selbst Putin nicht gelingen, sie zu unterdrücken. Auch unsere Korrespondenten werden weiter nach bestem Wissen und Gewissen über Russland berichten – von einem Ort aus, an dem sie frei sprechen und schreiben können, ohne dass ihnen Lagerhaft droht.”

3. “Ich möchte einfach nur arbeiten”
(zeit.de, Ekaterina Astafeva & Elizaveta Antonova)
“Ich bin geflohen, weil es gefährlich geworden ist, als Journalist in Russland zu arbeiten. Ich habe meinen Laptop, meinen Reisepass, meinen Ausweis, einige wichtige Papiere und ein paar Klamotten eingepackt und sonst nichts mitgenommen.” Die “Zeit” hat mit drei russischen Journalistinnen beziehungsweise Journalisten gesprochen, die ins Ausland geflüchtet sind und nicht wissen, wie es für sie weitergeht.

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4. Journalisten-Zentrum und TOR-Project: Initiativen für Pressefreiheit im Ukraine-Krieg
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 5:34 Minuten)
Der Deutschlandfunk berichtet über Initiativen, Medienschaffende in der Ukraine zu unterstützen und den Zugang zu unabhängiger Berichterstattung zu ermöglichen. Reporter ohne Grenzen unterstützt beispielsweise Journalistinnen und Journalisten, die aus dem Ukraine-Krieg berichten, mit Schutzausrüstung, einem Versicherungsschutz, Verschlüsselungstechnik oder auch schlicht mit Geld. Eine andere Initiative, die sich in ähnlicher Weise für in Not geratene Reporterinnen und Reporter und deren Familien in Kriegs- und Krisenregionen einsetzt, ist der Verein Journalisten helfen Journalisten.

5. Weltreporter fordert Unterstützung freier Korrespondent*innen in der Ukraine und Russland
(weltreporter.net)
Auch “Weltreporter”, das größte Netzwerk freier deutschsprachiger Auslandskorrespondenten und -korrespondentinnen, fordert mehr Schutz und Unterstützung für freie Medienschaffende, die aus dem Kriegsgebiet berichten: “Redaktionen drucken zwar die Texte freier Reporter*innen aus Kriegs- und Krisengebieten, drücken sich jedoch teils vor der Verantwortung für die Kolleg*innen.”

6. Der Schlingerkurs von Chinas Medien
(tagesschau.de, Eva Lamby-Schmitt)
Eva Lamby-Schmitt berichtet aus dem ARD-Studio Shanghai. Sie hat sich angeschaut, wie in den chinesischen Staatsmedien über Russlands Krieg gegen die Ukraine berichtet wird: “In offiziellen Statements versucht die chinesische Staats- und Parteiführung nach außen hin, ein möglichst neutrales Bild zu wahren. China positioniert sich nicht eindeutig und die Thesen sind widersprüchlich. Einerseits gesteht China Russland zu, die vermeintlichen Sicherheitsbedenken und die Bedrohung durch [die] Osterweiterung der NATO seien real. Andererseits betont China immer wieder, souveräne Staaten wie die Ukraine zu respektieren. Manche Beobachter sprechen bei dieser Haltung von einer pro-russischen Neutralität.”

Ukraine-Berichterstattung, Funke steigt aus, Rundfunkgeschichte

1. Freie Reporter:innen in der Ukraine brauchen Schutz und angemessene Bezahlung
(netzwerkrecherche.org)
Das Netzwerk Recherche fordert deutsche Redaktionen auf, freien Reportern und Reporterinnen, die für sie aus der Ukraine berichten, bestmöglichen Schutz zu gewähren und sie angemessen zu bezahlen: “In den vergangenen Tagen haben das Netzwerk Recherche öffentlich und in vertraulichen Gesprächen gleich mehrere Fälle erreicht, in denen deutsche Auftraggeber entweder keine Honorare für Beiträge gezahlt haben oder ihre beauftragten Reporter:innen nicht versichert, geschweige denn mit überlebenswichtiger Schutzausrüstung ausgestattet haben.”

2. ARD und ZDF setzen Berichterstattung aus
(reporter-ohne-grenzen.de)
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RoG) kann die Ankündigung von ARD und ZDF nachvollziehen, die Berichterstattung aus Russland vorerst auszusetzen: “Vor dem Hintergrund der offenen Zensur und der Kriminalisierung unabhängiger Berichterstattung bleibt den Kolleginnen und Kollegen in Moskau keine andere Wahl”, so RoG-Geschäftsführer Christian Mihr. Man gehe davon aus, “dass nun immer mehr Journalistinnen und Reporter aus Russland das Land verlassen werden, weil sie wegen ihrer unabhängigen Berichterstattung akut von drakonischen Strafen bedroht sind.”

3. “Ich bewundere die KollegInnen”
(taz.de, Friederike Gräff)
Tamina Kutscher betreibt die Medien- und Wissenschaftsplattform “dekoder”, die die Arbeit und den Kampf der unabhängigen russischen Medien auf Deutsch protokolliert. Friederike Gräff hat sie im Interview unter anderem gefragt, mit welchem Gefühl Kutscher derzeit die Artikel aus Russland liest, die sie auf Deutsch ins Netz stellt.

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4. Funke Mediengruppe verlässt BDZV
(tagesspiegel.de)
Das Machtgerangel im Verlegerverband BDZV hat eine neue Eskalationsstufe erreicht: Die Funke Mediengruppe kündigt ihre Mitgliedschaft beim Bundesverband der Digitalpublisher und Zeitungsverleger. Man traue den dort organisierten Verlegern nicht zu, eine umfassende Reform anzustoßen.

5. Wie der Rundfunk hessische Bildungsgeschichte schrieb
(faz.net, Eva-Maria Magel)
Das Frankfurter Museum für Kommunikation bietet derzeit einen Blick auf die Anfänge des Hessischen Rundfunks (HR), der sein Archiv für die Ausstellung “Funk für Fans” geöffnet hat. Eva-Maria Magel verrät, was einem beim Museumsbesuch erwartet.

6. Arbeit am Begriff
(zeit.de, Daniel Hornuff)
“Ob ‘Zeitenwende’, ‘Freiheitsenergien’ oder militärische Metaphorik: Der aktuelle Politikwechsel vollzieht sich auch sprachlich. Umso mehr sollten wir die Worte wägen.” Der Kulturwissenschaftler Daniel Hornuff hat sich auf “das Feld rhetorischer Aufrüstungen” begeben.

KW 09/22: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, endlich Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Samstagsausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

***

1. Krieg gegen die Ukraine – Wie berichten, was zeigen?
(br.de, Linus Lüring & Sissi Pitzer, Audio: 24:11 Minuten)
Es wird zunehmend schwieriger, über den Krieg Russlands gegen die Ukraine zu berichten. Im Medienmagazin des Bayerischen Rundfunks spricht Daniel Bouhs darüber, wie viele Reporter und Reporterinnen deutsche Medien in das Kriegsgebiet entsenden, und welche Probleme diese vor Ort haben. Außerdem geht es um die Verifikation von Bildern und Videos aus dem Kriegsgebiet und das EU-weite Verbot der russischen Staatsmedien.

2. Zwischen Professionalität und Emotion: Journalismus im Ukraine-Krieg
(deutschlandfunk.de, Stefan Fries, Audio: 38:02 Minuten)
Auch beim Deutschlandfunk geht es um die Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine: Wie behalten Journalistinnen und Journalisten den Überblick, welche Herausforderungen gibt es, wie schaffen sie den Spagat zwischen Hoffnung und Alarmismus, und welche Rolle spielen eigene Ängste? In “Nach Redaktionsschluss” diskutieren die freie Reporterin Rebecca Barth in der Ukraine, der ehemalige Moskau-Korrespondent des Deutschlandfunks (Dlf), Thielko Grieß, und die Medienwissenschaftlerin Marlis Prinzing von der Macromedia-Hochschule Köln mit Stefan Fries aus der Dlf-Medienredaktion.

3. Kriegsbilder auf TikTok, Seitenwechsel im Journalismus, Stalking mit Trackinggeräten
(deutschlandfunkkultur.de, Katja Bigalke & Marcus Richter, Audio: 34:47 Minuten)
In der aktuellen Ausgabe von “Breitband” sprechen Katja Bigalke und Marcus Richter über Kriegsbilder auf TikTok, Seitenwechsler im Politik-Journalismus und den Missbrauch von Ortungsgeräten wie Apples AirTag.

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4. Der Fall Gil Ofarim
(ndr.de, Kathrin Drehkopf, Video: 24:27 Minuten)
Im dritten und letzten Teil der “Zapp”-Serie “Verurteilt im Netz” geht es um den Fall von Gil Ofarim, der in den Sozialen Medien angab, in einem Leipziger Hotel antisemitisch diskriminiert worden zu sein, und die darauffolgende mediale Debatte. Die ersten beiden Folgen der Serie beschäftigten sich mit dem Fall Luke Mockridge und dem Fall Nemi El-Hassan (jeweils 25 Minuten).

5. Gespräch mit Dalia Antar
(anchor.fm, Lisabell Shewafera, Audio: 40:43 Minuten)
Bei “Inside Medien” ist diesmal Dalia Antar zu Gast. Sie arbeitet beim “heute journal” des ZDF als Redakteurin, Reporterin und Co-Chefin-vom-Dienst. Im Podcast gibt Antar unter anderem Auskunft zu folgenden Themen: Wie kann man sich den Arbeitsalltag als Redakteurin und Reporterin beim ZDF vorstellen? Wie ist das, in der aktuellen Berichterstattung zu arbeiten? Und wie komme ich an ein Praktikum in öffentlich-rechtlichen Medienhäusern?

6. Diener des Volkes
(arte.tv, Video: Serie mit 23 Folgen)
“Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, ehemaliger Schauspieler und Komiker, spielt in der Serie ‘Diener des Volkes’ die Rolle, die sein Leben veränderte: einen Geschichtslehrer, der über Nacht zum Präsidenten der Ukraine wird.” Arte zeigt in der Mediathek alle 23 Folgen in der Originalfassung mit deutschen Untertiteln.

“Give Peace A Chance”, Drosten wehrt sich, Klare Kante

1. Das verbotene Wort
(tagesspiegel.de, Frank Herold)
Die Einschränkungen von Medien in Russland gehen weiter. Nun droht auch der “Nowaja Gaseta” das Aus durch die russische Zensurbehörde. Die Lage ist Ernst, wie Frank Herold berichtet: “Gerade ist in das russische Parlament ein Gesetz eingebracht worden, das jedem bis zu 15 Jahren Lagerhaft androht, der ‘Fake News’ über die Invasion in der Ukraine verbreitet.”

2. Protest gegen Schließung
(djv.de, Hendrik Zörner)
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) protestiert gegen die Schließung des kremlkritischen Radiosenders Echo Moskau und die Löschung des dazugehörigen Onlineportals. DJV-Chef Frank Überall bezeichnet die Maßnahme als den “Willkürakt eines verzweifelten Regimes, das nicht mal mehr ansatzweise Kritik duldet”.

3. ARD in der Kritik: Man kann den Krieg nicht vom Tellerrand bewerten
(meedia.de, Tobias Singer)
Tobias Singer kritisiert, dass die ARD zeitweise nicht mit eigenen Korrespondenten und Korrespondentinnen vom Angriffskriegs auf die Ukraine berichtet habe. So habe man nur über, aber nicht aus der Ukraine berichten können. Das werfe ein schlechtes Licht auf die ARD.

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4. Drosten wehrt sich juristisch
(tagesschau.de, Markus Grill & Georg Mascolo)
Der Virologe Christian Drosten muss sich während der Corona-Pandemie viel an Beschimpfungen und Unterstellungen anhören. Der Physiker Roland Wiesendanger zum Beispiel warf Drosten im “Cicero” vor, die Öffentlichkeit über den Ursprung des Coronavirus gezielt getäuscht zu haben. Dagegen wehrt sich Drosten nun auf juristischem Wege und verlangt von Wiesendanger und dem “Cicero” jeweils die Abgabe einer Unterlassungserklärung.

5. klare Kante
(journalist.de, Sebastian Pertsch & Udo Stiehl)
Sebastian Pertsch und Udo Stiehl werfen im Rahmen ihres Projekts “Floskelwolke” einen sprach- und medienkritischen Blick auf vielbenutzte Formulierungen. Diesmal zeigen sie klare Kante und nehmen sich die Floskel “klare Kante” vor.

6. Hunderte Radiosender spielen Freitagmorgen “Give Peace A Chance”
(rnd.de)
Am heutigen Freitagmorgen haben sich europaweit unzählige Radiosender für eine Aktion zusammengeschlossen und um 8:45 Uhr John Lennons Friedenslied “Give Peace A Chance” gespielt. Allein in Deutschland sollen sich mehr als 200 Programme aus allen Senderfamilien und allen Genres beteiligt haben.

Putins Lügen, EU-Aus für RT und Sputnik, Elastischer Köppel

1. EU setzt Verbot russischer Staatsmedien in Kraft
(sueddeutsche.de)
Es zeichnete sich bereits in den vergangenen Tage ab: Die Europäische Union hat die Verbreitung russischer Staatsmedien untersagt. Betroffen sind alle Verbreitungswege von RT und Sputnik innerhalb der EU, etwa per Kabel, Satellit oder Internet. “Wir alle stehen für die Redefreiheit, aber sie darf nicht zur Verbreitung von Kriegspropaganda missbraucht werden”, so EU-Kommissionsvize Věra Jourová zur Begründung.
Weiterer Lesehinweis: Zu den Verbotsmaßnahmen gibt es auch Kritik, die Anna Biselli für netzpolitik.org zusammenfasst.

2. Putins Lügen: In sowjetischer Tradition
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers & Brigitte Baetz & Annika Schneider, Audio: 6:43 Minuten)
Der Kreml führt neben dem echten auch einen Medienkrieg mit allerlei Verboten, gezielten Falschmeldungen und eigenen Narrativen. Im Deutschlandfunk haben sich Annika Schneider und Brigitte Baetz über die derzeitige Situation und die Geschichte russischer beziehungsweise sowjetischer Staatspropaganda unterhalten.

3. Béla Anda stoppt Podcast mit Gerhard Schröder – auch Ringier geht auf Abstand
(kress.de, Marc Bartl)
Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder verliert wegen seiner Nähe zu Wladimir Putin immer mehr seiner Kooperationspartner und Weggefährten. Selbst seine Mitarbeiter hatten sich zuletzt von ihm losgelöst. Nun rückt auch sein langjähriger Pressesprecher und Ex-“Bild”-Mann Béla Anda von ihm ab und stoppt den gemeinsamen Podcast.

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4. Von Kriegsopfern erster und zweiter Klasse
(uebermedien.de, Emran Feroz)
Für “Übermedien” versucht Emran Feroz, den Rassismus der aktuellen Ukraine-Berichterstattung zu dekonstruieren: “Der Tenor war etwa: So gehört sich das! Nicht wie bei den anderen, den muslimischen Feiglingen aus irgendeinem shithole country.”

5. CNN in Hamburg? ARD baut Tagesschau 24 zum echten Nachrichtensender aus
(rnd.de, Imre Grimm)
Die ARD will ihren Sender Tagesschau24 zum vollwertigen 24-Stunden-Nachrichtenkanal umbauen und damit die Möglichkeit haben, noch schneller auf Breaking News reagieren zu können. Man orientiere sich dabei an großen Vorbildern: BBC News und CNN. Das Projekt soll aus vorhandenen Mitteln finanziert werden.

6. Weltwoche-Köppel: Ungemein elastisch
(infosperber.ch, Kurt Marti)
“Am Morgen des russischen Überfalls huldigte der Weltwoche-Chef dem Chef des Kremls, am Abend forderte er mehr Rüstung gegen ihn.” Kurt Marti kommentiert den erstaunlichen Gesinnungswandel des “Weltwoche”-Chefredakteurs Roger Köppel, den Marti als “ungemein elastisch” bezeichnet.

Krieg in den Sozialen Medien, Zensur, Unruhe bei Verlegerverband

1. Russland zensiert Kriegsberichterstattung
(reporter-ohne-grenzen.de)
Der Kreml greift noch weiter in die Berichterstattung russischer Medien ein als sowieso schon und verbietet die Verwendung der Wörter “Krieg”, “Angriff” und “Invasion”. Erlaubt seien ausschließlich Informationen aus “offiziellen russischen Quellen” – damit ist das Verteidigungsministerium gemeint. “Schon vor dem Krieg wurden Journalistinnen und Reporter in Russland massiv an ihrer Arbeit gehindert”, so der Geschäftsführer der deutschen Reporter ohne Grenzen: “Nun ist der Informationskrieg in vollem Gange.”

2. Krieg in sozialen Medien
(socialmediawatchblog.de, Simon Hurtz)
Die aktuelle Ausgabe des “Social Media Watchblogs” zum Thema “Krieg in sozialen Medien” erscheint ausnahmsweise ohne Paywall: “Selten kam uns dieser Newsletter nebensächlicher vor als in diesen Tagen. Es gibt gerade so viele Dinge, die wichtiger sind, als neue TikTok-Features oder unsere Analysen. Trotzdem verschicken wir ein Briefing. Zum einen hilft uns das, nicht im Doomscrolling zu versinken. Zum anderen spielen Tech-Konzerne und Social Media in der Ukraine eine wichtige Rolle. Deshalb können wir vielleicht dazu beitragen, dass du einen kleinen Teil dieses fürchterlichen Kriegs besser verstehst.”

3. Hilfe für Journalist:innen in der Ukraine
(netzwerkrecherche.org, Günter Bartsch)
Das Netzwerk Recherche hat zusammen mit n-ost, FragDenStaat, Reporter ohne Grenzen und der “taz”-Panter-Stiftung eine Spendenaktion für ukrainische Medienschaffende gestartet: “Wir brauchen Eure Unterstützung, um überlebensnotwendige Schutz- und Notfallausrüstungen zu kaufen und unsere Kolleg:innen mit Unterkünften und psychologischer Betreuung zu versorgen.”

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4. MABB verhängt Zwangsgeld
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Der russische Staatssender RT DE wurde von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) wegen einer nicht bestehenden Sendelizenz mit einem Ausstrahlungsverbot belegt, an das er sich jedoch nicht hält. Nun stehe ein Zwangsgeld von 25.000 Euro im Raum, das immer wieder neu angesetzt werden könne. Die EU bereite unterdessen ein umfassendes Sendeverbot der russischen Staatsmedien vor.

5. YouTube, TikTok und Microsoft sperren RT
(spiegel.de)
Die Videoplattform Youtube sperre die Kanäle der russischen Staatssender RT und Sputnik europaweit. TikTok habe den Zugang russischer Staatsmedien zu seiner Plattform in der EU ebenfalls eingeschränkt, und Microsoft sowie Facebooks Mutterkonzern Meta hätten mit ähnlichen Beschränkungen reagiert. Nur Twitter wolle Nachrichten mit Verbindungen zu russischen, dem Staat nahestehenden Medien lediglich mit Warnhinweisen versehen.

6. Was ist nur bei den Verlegern los?
(djv.de, Hendrik Zörner)
Der Verlegerverband BDZV erlebt gerade unruhige Zeiten: Erst die Kontroverse um Verbandschef Mathias Döpfner, dann der Rücktritt des Vizepräsidenten, nun die Kündigungsdrohung eines Großverlags. Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten-Verband appelliert an den Verband: “Bitte lösen Sie schnellst möglich Ihre Personalprobleme an der Führungsspitze, damit Sie wieder Kapazitäten für das Wesentliche haben.” Gemeint seien damit zum Beispiel Gespräche über “die beschämend niedrigen Freien-Honorare” bei Zeitungen.

Der Krieg und die Medien, Nur Wahres ist Wahres, Propaganda

1. Der Krieg und die Medien: Zwischen Mobilmachung, Heldensuche und Mut
(rnd.de, Imre Grimm)
Imre Grimm bilanziert die ersten Tage der Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine: “Selten war es so schwer, sauberen Journalismus zu liefern wie in diesen Tagen. Und selten war es so wichtig, so präzise wie möglich zu berichten. Keiner Propaganda auf den Leim zu gehen. Die digitale Spreu vom Weizen zu trennen. Die Bilder zu prüfen.”

2. Fakten checken im Krieg: Nur Überprüfbares ist Wahres
(uebermedien.de, Frederik von Castell)
Viele Medien, darunter auch das ZDF, veröffentlichen Material zum Krieg in der Ukraine, dessen Authentizität nicht belegt werden kann. Frederik von Castell kommentiert: “Bei allem berechtigten Interesse an den neuesten Entwicklungen in diesem Krieg bleibt die Frage: Wozu Material verwenden, das nicht verifizierbar ist? Warum das Risiko eingehen, Falschinformationen zu verbreiten?”

3. “Möchten nicht zugucken”: “Katapult” gründet Ukraine-Zeitung
(meedia.de, Thomas Borgböhmer)
Der “Katapult”-Verlag startet eine eigene Ukraine-Zeitung, die sowohl aus Deutschland als auch aus der Ukraine heraus berichten soll. Das Projekt werde möglich durch die Bereitschaft der Belegschaft zu Gehaltseinbußen: “20 Mitarbeitende, die aktuell 3.300 Euro verdienen, machen dabei mit. Konkret verzichtet die Hälfte auf 25 Prozent, die andere Hälfte auf 50 Prozent des Gehalts. Ein Mitarbeiter, heißt es, sogar auf 100 Prozent seines Lohns.”

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4. Russland-Ukraine-Krieg: Die Propagandaschlacht auf Social Media
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers & Brigitte Baetz, Audio: 9:44 Minuten)
Der Deutschlandfunk hat sich mit Christian Stöcker über die Social-Media-Strategien der am Russland-Ukraine-Krieg beteiligten Parteien unterhalten. Für Stöcker, Journalist und Professor für Digitale Kommunikation, erlebt die Welt gerade “den ersten Krieg in der Geschichte, der zwar mit einem kleinen, dafür aber wichtigen Anteil auch auf Social Media geführt wird”, wie er auf Twitter schreibt.

5. Krise der Auslandsberichterstattung
(medienpolitik.net, Helmut Hartung)
Die Otto Brenner Stiftung hat ein Diskussionspapier zum Zustand der deutschen Auslandsberichterstattung veröffentlicht (PDF). Demnach seien weite Teile der Welt in den Berichten deutscher Medien unterrepräsentiert. In seiner Untersuchung benennt der langjährige Auslandskorrespondent Marc Engelhardt die Gründe für diese Entwicklung, dokumentiert eine Verstärkung des Trends in der Covid-Pandemie und skizziert mögliche Lösungsansätze.

6. Russische Nachrichtenagentur bejubelt mit vorbereitetem Kommentar irrtümlich Sieg
(spiegel.de)
Die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria hat versehentlich kurzzeitig einen vorbereiteten Jubelkommentar veröffentlicht, in dem der Autor den Sieg Russlands über die Ukraine feierte. Anscheinend war der Kreml fälschlicherweise von einem raschen militärischen Erfolg in der Ukraine ausgegangen.

Ukraine, Schmu in “Hörzu”, Atombomben-Tipps der “Bunte”

1. Was Medien beim Berichten zur Ukraine falsch machen
(volksverpetzer.de, Melina Borčak)
Melina Borčak hat beim “Volksverpetzer” die häufigsten Irrtümer und Fehler deutscher Medien zusammengetragen, die im Zusammenhang mit der Ukraine-Berichterstattung gemacht werden. Am Wichtigsten seien aus ihrer Sicht “Kritikbereitschaft und eine offene Fehlerkultur, die sich nicht gegen Korrekturen wehrt”.
Weiterer Lesehinweis: So entlarven Sie falsche Bilder und Videos (spiegel.de, Markus Böhm & Janne Knödler).
Außerdem lesenswert: Kampf gegen Propaganda: EU will russische Staatsmedien verbieten: “Die russischen Sender RT und Sputnik sollen in der EU verboten werden. Ziel ist es, keinen Platz für Propaganda zu lassen, wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte” (dwdl.de, Manuel Weis). Stefan Niggemeier twittert dazu: “Das ist wahrscheinlich keine gute Idee”.

2. Doku über letzten unabhängigen TV-Sender Russlands
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
In Abänderung des geplanten Programms sendet das Erste heute am späteren Abend einen Dokumentarfilm über den russischen TV-Sender Doschd und dessen Gründerin Natascha Sindeewa. Wer nicht so lange warten will oder heute Abend keine Zeit hat: Der Film ist bereits in der ARD-Mediathek verfügbar (1:30:03 Stunden).

3. Cyberangriffe auf deutsche Medien: Unternehmen fürchten russische “Desinformationskampagne”
(rnd.de)
Laut “Redaktionsnetzwerk Deutschland” haben mehrere deutsche Tageszeitungen Cyberangriffe auf ihre Websites und Auftritte in den Sozialen Medien gemeldet und vermuten eine dahinterstehende “pro-russische Desinformationskampagne”. Betroffen seien die Internetseiten und Social-Media-Accounts der Zeitungen und Magazine der Funke Mediengruppe sowie der zur Ippen-Gruppe gehörenden “Frankfurter Rundschau”.

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4. Alle fühlen wie ich
(faz.net, Martin Andree)
In einem Gastbeitrag für die “FAZ” fasst Martin Andree zusammen, “wie Trumps Netzwerk ‘Truth Social’ im Namen der Freiheit die demokratische Grundordnung zu zersetzen droht und warum wir dem etwas entgegensetzen müssen”.

5. Schmu in “Hörzu”: Eine “Geschenk-Benachrichtigung” mit Haken
(uebermedien.de, Lisa Kräher)
Nachdem vielen Ausgaben der Fernsehzeitschrift “Hörzu” ein vermeintliches 300-Euro-Geschenk beilag, twitterte die Verbraucherzentrale: “Wer eine ‘Gewinn-Benachrichtigung’ als Zeitungsbeilage in seiner #Hörzu gefunden hat, sollte diese nicht wegwerfen, sondern sich bei der Verbraucherzentrale melden. Verbraucherschützer:innen prüfen, ob Verbraucher:innen Auszahlung des Geschenks fordern können.” Lisa Kräher ist dem obskuren Fall nachgegangen und hat beim dafür verantwortlichen Verlag nachgefragt. Der zeigt sich wenig einsichtig.

6. Überlebenstipps für “Bunte”-Leser
(noemix.wordpress.com, Michael Noerig)
Aus aktuellem Anlass hat Bunte.de einen vor zwei Wochen erschienenen Artikel mit einem Update versehen. In “Wie du eine Nuklear-Explosion überstehst” gibt es teilweise äußerst bizarre Tipps, um “einen Atomangriff unbeschadet zu überleben”.

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BILDblog-Klassiker

Bild  

Die Wahrheit über die Wahrheit über Roma

Seit einigen Tagen erzählt die “Bild”-Zeitung ihren Lesern …Die WAHRHEIT über ROMA in DEUTSCHLAND

Oder zumindest gibt sie vor, das zu tun. Im großen “Bild-Report” schickt das Blatt seine Leute zum Besuch ins “Roma-Haus”, stellt Fragen wie “Droht Deutschland eine Roma-Welle?” und erklärt, warum man Roma sein und es “trotzdem” schaffen kann.

Den Grund für das plötzliche Interesse an der “Roma-Welt” erklärt “Bild” so:

Die Diskussion um Armutsflüchtlinge aus Südosteuropa beschäftigt die Politik. Im Mittelpunkt der Debatte steht die Minderheit der Roma. Ab 2014 gilt für rund 1,5 Millionen Roma aus Rumänien und Bulgarien die “Arbeitnehmerfreizügigkeit”. Die Befürchtung der Politik: Viele kommen wegen Sozialleistungen nach Deutschland.

Diese Befürchtungen hatten diverse Politiker zuvor panisch kundgetan — an medialen Plattformen, auf denen sie ihre markigen Sprüche verbreiten konnten, mangelte es freilich nicht. Allen voran “Bild” verkündete jedes Mal ganz hektisch, wenn irgendwer irgendwo wieder ein düsteres Roma-Szenario gezeichnet hatte.

Am 1. März berichtete “Bild” in der Bremer Regionalausgabe über den SPD-Politiker Martin Korol:

(…) Es wird geprüft, ob gegen den Bürgerschafts-Abgeordneten wegen Volksverhetzung ermittelt werden muss. Korol zu BILD: “Das tut schon weh.” Auf seiner inzwischen abgeschalteten Homepage warnte der Abgeordnete mit drastischen Worten vor Roma-Einwanderer aus Rumänien und Bulgarien: “Sie kommen aus einer archaischen Welt. Väter haben keine Hemmungen, ihre Kinder zum Anschaffen und Stehlen statt zur Schule zu schicken. Sie schlagen ihren Frauen die Zähne aus, gönnen nur sich selbst Stahlzähne. Viele jungen Roma-Männer schmelzen sich mit Klebstoffdünsten das Gehirn weg.”

(…) Einige Sozialdemokraten stempeln Korol als fremdenfeindlich und rassistisch ab.

“Bild” hatte aber offenbar Zweifel an diesem “Stempel” und fragte:

…oder hat er DOCH Recht?

Bremerhaven – Schon vor dem Skandal um Dr. Martin Korol (SPD) waren die Armutseinwanderer ein politisch brisantes Thema.

Die Wählervereinigung “Bürger in Wut” (BiW) stellte dazu vor zwei Wochen eine Anfrage an den Bremerhavener Magistrat. Der Vorsitzende Jan Timke (42): “Wir haben gestern die erschütternden Antworten bekommen.”

Am 31.12. 2012 lebten 481 bulgarische Armutsflüchtlinge in der Seestadt. Auf ihr Konto gingen im vergangenen Jahr 195 Straftaten. Der Abgeordnete und ehemalige Polizeibeamte Timke: “Fast jeder zweite Roma ist kriminell. Dabei geht es nur um die aufgeklärten Fälle. Die Dunkelziffer wird viel höher sein.” Besser sind die Zahlen bei den Flüchtlingen aus Rumänien. Von den 208 Roma, die in der Seestadt leben, wurden 25 bei Straftaten erwischt.

Was “Bild” hier verschweigt: Die Wählervereinigung “Bürger in Wut” bezeichnet sich selbst zwar als “bürgerlich-konservativ”, gilt aber als rechtspopulistisch. Das erklärt auch, warum Timke die Antwort des Magistrats, die BILDblog vorliegt, offenbar absichtlich falsch interpretiert. Seine Darstellung, die sich “Bild”-Mann Holger Bloehte mehr oder weniger zueigen macht, ist in nahezu jeder Hinsicht verzerrt.

Zunächst einmal: Es stimmt zwar, dass “zum Stichtag 31.12.2012” in Bremerhaven 481 Bulgaren und 208 Rumänen gemeldet waren. Der Magistrat spricht aber explizit von rumänischen bzw. bulgarischen “StaatsbürgerInnen”. Wie viele davon tatsächlich Roma sind, geht aus den Zahlen gar nicht hervor.

Ebenso falsch ist es, wenn “Bild” behauptet, die “195 Straftaten” gingen auf das “Konto” der 481 Bulgaren – denn die Zahl 195 ergibt sich aus der “Auswertung der Gesamtzahl der Straftaten (…) bulgarischer StraftäterInnen”. Sie wurden also das gesamte Jahr über gezählt.

Die Aussage, “fast jeder zweite Roma” sei kriminell, ist also doppelt falsch. Nicht nur, weil sich aus den Zahlen, wie gesagt, keinerlei Rückschlüsse auf “die Roma” ziehen lassen, sondern auch, weil die 195 von Bulgaren begangenen Straftaten nicht in Relation zu den 481 Bulgaren zu setzen sind (was im Übrigen 40,5 Prozent wären, also längst nicht “fast jeder zweite”), sondern zu der Gesamtzahl aller Bulgaren, die irgendwann im Jahr 2012 mal in Bremerhaven gewohnt haben. Ebenso verhält es sich mit den 25 Straftaten, die den 208 (rumänischen) “Roma” zugeschrieben werden.

Und schließlich lässt sich den Zahlen des Magistrats auch nicht entnehmen, dass Roma ihren Frauen die Zähne ausschlagen, ihre Kinder zum Anschaffen schicken und sich das Gehirn mit Klebstoff wegschmelzen, wie der SPD-Politiker Korol pauschal behauptet hatte. Über die Art der 195 Straftaten ist nämlich nichts bekannt.

Aber all das lässt der “Bild”-Autor Holger Bloehte unerwähnt. Wenn man ihm nicht unterstellen möchte, dass er die falsche Interpretation der Zahlen bewusst so übernommen hat, muss man davon ausgehen, dass er die Antwort des Magistrats gar nicht gelesen und die offenkundig rechtspopulistischen Äußerungen des Politikers einfach nachgeplappert hat, ohne sie selbst zu überprüfen.

Auch andere “Bild”-Autoren verbreiten vermeintliche Roma-“Wahrheiten”, die sie entweder bewusst verzerrt oder einfach nicht genügend recherchiert haben. Gestern präsentierte “Bild” groß auf Seite 2:Die 6 Wahrheiten über ROMA in Deutschland

“Wahrheit” Nummer 3 lautet:

Die Kriminalität steigt

Die Kriminalstatistik 2011 weist unter den “nichtdeutschen Tatverdächtigen” 26 438 Rumänen, 10 960 Bulgaren aus. Vergleich: 2007 lagen die Zahlen noch bei 15040 bzw. 3923. Aber: Wie viele davon Roma sind, wird statistisch nicht erfasst!

Was die Autoren nicht erwähnen: Damals gab es auch deutlich weniger Rumänen und Bulgaren in Deutschland. Von 2007 bis 2011 hat sich ihre Anzahl sogar verdoppelt. Dass damit auch die (absolute) Zahl der Tatverdächtigen ansteigt, ist kein Wunder. Relativ gesehen zeigt sich allerdings, dass der Prozentsatz der Tatverdächtigen unter den Bulgaren seit 2007 tendenziell sogar gesunken ist.

(Für diese Einschätzung haben wir uns an den Statistiken des Ausländerzentralregisters orientiert, wozu angemerkt werden muss, dass diese ebenfalls lediglich die an einem Stichtag in Deutschland gemeldeten Bulgaren und Rumänen erfassen.)

Der Vergleich, den “Bild” hier vornimmt, lässt ohnehin keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Entwicklung der Kriminalität zu. In der Kriminalstatistik heißt es ausdrücklich:

Diese Daten [zur “Entwicklung der Tatverdächtigenanteile Nichtdeutscher”] dürfen nicht mit der tatsächlichen Kriminalitätsentwicklung gleichgesetzt werden.

Ein Grund dafür ist, dass in dieser Statistik beispielsweise auch strafunmündige Kinder unter 14 Jahren erfasst werden oder jene Menschen, die “wegen Tod, Krankheit oder Flucht nicht verurteilt werden” können. Zudem hat es im Jahr 2009 eine “systematische Umstellung” bei der Erfassung dieser Daten gegeben, weshalb das Innenministerium mehrmals betont, dass man die Zahlen ab 2009 nicht mehr mit den jenen aus den Vorjahren vergleichen kann. Kurzum: Dass “die Kriminalität steigt”, wie “Bild” behauptet, lässt sich, zumindest anhand der Kriminalstatistik, keinesfalls belegen.

Kommen wir zum Schluss nochmal zurück zu Martin Korol, dem eingangs erwähnten SPD-Politiker aus Bremen. Der tauchte wenige Tage nach seinen umstrittenen Äußerungen noch einmal in “Bild” auf — als “Verlierer” des Tages. Dort heißt es:

Der Bremer Bürgerschaftsabgeordnete Martin Korol (68, SPD) giftete auf seiner Internetseite gegen Roma (…). Dafür droht Korol nun ein Parteiordnungsverfahren – und der Rauswurf aus der SPD.

BILD meint: Erst denken, dann reden.

BILDblog meint: genau.

Mit Dank an den Hinweisgeber.

Nachtrag, 8. März: Die Aussage, “fast jeder zweite Roma” sei kriminell, ist nicht nur doppelt, sondern dreifach falsch. Denn der Magistrat spricht von der Anzahl der Straftaten – nicht der Straftäter. Die Polizei Bremerhaven hat uns auf Anfrage bestätigt, dass es durchaus möglich ist, “dass jeweils ein Täter mehrere dieser Straftaten begangen hat”. Die 195 Straftaten, die “Bild” hier den 481 bulgarischen Personen zuschreibt, könnten also theoretisch auch nur von zehn, zwanzig oder auch nur von einem (kriminell besonders aktiven) Bulgaren begangen worden sein. Danke an die vielen, vielen Hinweisgeber!

Nachtrag, 19. März: Jan Timke hat uns zwischenzeitlich geschrieben. Der Vorsitzende der “Bürger in Wut” erklärt, “Bild Bremen” habe seine Äußerungen “unzutreffend zitiert”:

[In der Anfrage an den Magistrat] beziehen wir uns durchgängig auf rumänische und bulgarische Staatsbürger, nicht auf Roma. Der Begriff Roma taucht in unserer Anfrage an keiner einzigen Stelle auf. Davon ausgehend habe ich auch gegenüber dem Redakteur der BILD ausdrücklich von Rumänen und Bulgaren gesprochen. Warum in dem Artikel dennoch von Roma die Rede ist, erschließt sich mir nicht.

Und in der Tat: Sowohl in der Anfrage an den Magistrat als auch in dessen Antwort ist ausschließlich von “rumänischen und bulgarischen Staatangehörigen” die Rede. Timke schreibt weiter:

Die Aussage, die Hälfte dieser Zuwanderer sei kriminell, habe ich ebenfalls nicht getan. Denn auch das geben die Zahlen nicht her, wie Herr Schönauer zutreffend ausführt. Wie Sie aus der beigefügten Anfrage ersehen können, hatten wir uns unter Ziffer 10. nach der Zahl der Straftäter erkundigt. Der Magistrat hat dagegen in seiner Antwort die Zahl der von Rumänen und Bulgaren im fraglichen Zeitraum begangenen Delikte genannt. Möglicherweise erklärt dieser Umstand den Fehler auf Seiten der BILD-Redaktion, der ich das Dokument im Vorfeld zur Verfügung gestellt hatte.

Von “Gipsy-Banden” und “Terror-Transen”

Vor einem halben Jahr wurde bei einer griechischen Roma-Familie ein blondes Mädchen entdeckt und von den Behörden in Obhut genommen. Schnell stand für viele Medien fest, dass das Kind entführt worden war und nun “aus den Fängen einer Roma-Bande befreit” wurde (Bild.de). Kurz darauf kehrte das Mädchen jedoch wieder zu seiner Familie zurück — der Verdacht der Kindesentführung hatte sich nämlich als unbegründet herausgestellt.

Genauso verhielt es sich in einem weiteren Fall, diesmal in Irland, der sich kurze Zeit später abspielte. Polizisten hatten auch dort ein blondes Kind aus einer Roma-Familie geholt, später belegte aber ein DNA-Test, dass es tatsächlich zur Familie gehörte.

Und obwohl der Verdacht schon ausgeräumt war, schrieb Bild.de:

[…] am Dienstag wurde ein Mädchen aus einer Siedlung nahe Dublin gerettet. Wie viele blonde und blauäugige Mädchen leben noch bei Roma-Familien in Europa – und warum?

Nach Ansicht des Presserats ist diese Bildunterschrift diskriminierend. Die Formulierung “gerettet” sowie die Suggestivfrage seien “dazu geeignet, Vorurteile gegen die Volksgruppe der Roma zu schüren” (Ziffer 12 des Pressekodex). Der Beschwerdeausschuss, der vergangene Woche getagt hat, sprach deshalb eine Rüge gegen das Portal aus.

Inzwischen hat Bild.de das Wort “gerettet” durch “geholt” ersetzt und unter der Bildunterschrift sogar die Rüge veröffentlicht. Am Titel der Klickstrecke hat sich aber nichts geändert — der lautet weiterhin: “Polizei rettet Mädchen vor Gipsy-Bande”.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Der Presserat kritisierte noch einen weiteren Bild.de-Artikel, darin ging es um einen Gerichtsprozess in Berlin. Die Überschrift lautete:

Stöckelte Terror-Transe einer Frau das Auge kaputt?

Insbesondere der Begriff “Terror-Transe” könne Vorurteile schüren und Transsexuelle herabwürdigen, befand der Ausschuss und sprach einen “Hinweis” gegen Bild.de aus.

Insgesamt verteilte der Presserat fünf Rügen, 14 Missbilligungen und 15 Hinweise.

Eine Rüge bekam der Online-Auftritt der niedersächsischen Zeitung “Die Harke”. Das Portal hatte ein Foto der Privatwohnung von Sebastian Edathy veröffentlicht, das ein Reporter während der polizeilichen Durchsuchung durch das Fenster geschossen hatte. Der Presserat wertete die Veröffentlichung als einen schweren Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeit (Ziffer 8). Der private Wohnsitz genießt nach Richtlinie 8.8 des Pressekodex besonderen Schutz.

Eine weitere Rüge erging an FAZ.net, weil die Redaktion über eine mögliche psychische Erkrankung des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst spekuliert hatte. Der Bruder des Bischofs habe darüber angeblich mit “Vertrauten” gesprochen, schrieb FAZ.net. Eine Stellungnahme des Bischofs oder seines Bruders enthielt der Artikel aber nicht. Damit habe die Redaktion die Privatsphäre des Bischofs verletzt und gegen den Pressekodex verstoßen, befand der Presserat. Über Krankheiten dürfe nur mit Zustimmung der Betroffenen berichtet werden (Richtlinie 8.6). Der Artikel stand übrigens auch in der Print-Ausgabe der “FAZ”, aber über die hat sich offenbar niemand konkret beim Presserat beschwert.

Die “Dithmarsche Landeszeitung” wurde für die Veröffentlichung eines Leserbriefs gerügt, der unter anderem Antisemitismus und staatliche Euthanasie in der NS-Zeit relativiert hatte.

Die fünfte Rüge kassierte schließlich “Das goldene Blatt” aus dem Funke-Verlag. Die Redaktion hatte einen Artikel, der 2009 entstanden und in mehreren Zeitungen erschienen war, fast vier Jahre später einfach noch mal veröffentlicht — ohne Zustimmung der Betroffenen. Die Lebensumstände der Frau, um die es in dem Text geht (“‘Ich lebe im Wohnmobil'”), hatten sich in der Zwischenzeit aber grundlegend verändert. “Das goldene Blatt” habe damit gegen den Schutz der Persönlichkeit verstoßen, befand der Presserat: Vor einer neuen Veröffentlichung hätte die Redaktion die Fakten überprüfen und eine erneute Einwilligung der Frau einholen müssen.

Nicht geahndet wurde hingegen das “Titanic”-Cover zu Michael Schumacher. Das Satire-Magazin hatte getitelt:

Erstes Foto nach dem Unfall: So schlimm erwischte es Schumi

… und dazu ein Foto von Niki Lauda gezeigt.

Der Presserat bewertete das Cover als “eine kritische Auseinandersetzung mit dem Medienrummel um Michael Schumachers Gesundheitszustand und der Jagd der Reporter nach Fotos von dem Verunglückten” (BILDblog berichtete). Weil das Foto neutral sei und die Unfallverletzungen von Lauda nicht in den Mittelpunkt gestellt würden, sei es nicht herabwürdigend.

Mit Karacho an der Realität vorbei

Vor drei Wochen hat “Bild” den Fußballer Donis Avdijaj (FC Schalke) umgetauft. Statt “49-Mio-Bubi” nennt das Blatt ihn jetzt nur noch …

Schalkes 49-Mio-talent Donis Avdijaj - Crash-Bubi will doch für Deutschland spielen
Donis Avdijaj - Crash-Bubi droht eine Abmahnung
Nach Auto-unfall von Donis Avdijaj - Heldt droht Schalkes Crash-Bubi

„Crash-Bubi“. Warum? Weil er jung ist. Und — darum:

Schalkes 49-Mio-Bubi - Crash bei illegalem Autorennen?

Der Schalke-Bubi, der eine 49-Mio-Euro-Ausstiegsklausel in seinem Vertrag hat, hat seinen Sportwagen zerlegt. Der Verdacht: Es passierte bei einem illegalen Auto-Rennen.

So richtige Zweifel schienen die Autoren an diesem „Verdacht“ aber nicht zu haben: Avdijaj habe den Lamborghini „verfolgt“ hieß es im Artikel, und sei ihm dann reinge“rauscht“:

Laut Augenzeugen sollen die Autos bis zu 160 km/h schnell gewesen sein und sich ein spontanes Rennen geliefert haben.

Kurz darauf sprach Bild.de dann auch unmissverständlich von „Raserei“ und schrieb auch in den darauffolgenden Tagen:

Avdijaj raste in einen Lamborghini.

Während „Bild“ sich schon munter ausmalte, was dem Spieler wegen nun „blühen“ könnte („Crash-Konsequenzen“, „Abmahnung“, “Schrottet er jetzt seine Karriere?”), sagte Schalke-Manager Horst Heldt:

„Wir wollen ihn nicht vorverurteilen, warten die Ergebnisse der Polizei-Ermittlungen ab.“

Und die liegen laut DerWesten.de nun vor. Demnach war der wilde „Crash-Bubi“ mit sage und schreibe 36 km/h (!) unterwegs, als er in den Lamborghini „raste“.

Avdijaj habe eine kleine Geldsumme bezahlen müssen und seinen Führerschein wiederbekommen. Die angeblichen Augenzeugen, auf die sich „Bild“ berufen hatte (“160 km/h”), hätten sich bislang nicht bei der Polizei gemeldet.

Mit Dank an Max und Robin L.! Siehe auch: Die 36 km/h-Raserei (koenigsblog.net)

Wer nicht für “Bild” werben will, muss gegen Flüchtlinge sein (2)

Gestern wurde bekannt, dass die Fußballer des FC St. Pauli am kommenden Wochenende bei der “Bild”-Aktion “Wir helfen” nicht mitmachen werden. Damit war der Verein der erste der 36 Erst- und Zweitligisten, der beim “Bild”-Hermes-DFL-Theater nicht mitspielt. (Inzwischen hat sich der 1. FC Union Berlin den Hamburgern angeschlossen, genauso der SC Freiburg, der VfL Bochum, der MSV Duisburg, die SpVgg Greuther Fürth, der 1. FC Kaiserslautern, Eintracht Braunschweig, der TSV 1860 München und Fortuna Düsseldorf teilweise und womöglich auch der 1. FC Nürnberg.)*

“Bild”-Chef Kai Diekmann polterte daraufhin bei Twitter los, behauptete, am Millerntor seien “#refugeesnotwelcome”, und rückte den Verein in die Nähe der AfD. Seine “Bild”-Kumpels fanden das gut, viele andere eher nicht. Im Blog des DJV schreibt Hendrik Zörner heute, Diekmanns Verhalten sei “eine ausgemachte Sauerei”, und fordert ihn auf, Flüchtlinge nicht zu instrumentalisieren. Und selbst der Kai-Diekmann-Fanklub “Meedia” spricht von “offenkundig ungerechtfertigten Vorwürfe[n]” in Richtung FC St. Pauli.

Wie falsch der “Bild”-Chef mit seinem Angriff liegt, zeigt ein Blick in seine eigene Zeitung. Die Hamburg-Ausgabe berichtete am vorletzten Mittwoch, nach St. Paulis Freundschaftsspiel gegen den BVB, das der Klub unter das Motto “Refugees welcome” gestellt hatte, so:

Und auch Bild.de erkannte, dass beim FC St. Pauli “REFUGEES WELCOME” sind:

Immerhin: In der heutigen Printausgabe gibt es nicht den großen publizistischen Gegenschlag der “Bild”. Zur Weigerung des FC St. Pauli findet man lediglich eine kleine Überschrift …

… und diese vier Sätze:

Schade nur, dass einer der 36 Klubs aus der Solidaritäts-Aktion ausschert.

Der FC St. Pauli macht nicht mit bei „Wir helfen“ und wird stattdessen mit den normalen Firmenzeichen des Logistik-Unternehmens spielen. Das teilte der Hamburger Zweitligist den Beteiligten mit. Man tue schon genug für Flüchtlinge.

Der letzte Satz lässt sich allerdings als eine ziemlich böse Interpretation dessen verstehen, was St. Paulis kaufmännischer Geschäftsleiter Andreas Rettig gestern zu Diekmanns Vorwürfen sagte:

Der FC St. Pauli ist seit vielen Wochen auf verschiedenen Ebenen zu einem Thema, das seit Monaten alle emotional bewegt, aktiv, um den Menschen, die nach Deutschland geflohen sind, zu helfen. […] Daher sehen wir für uns nicht die Notwendigkeit, an der geplanten, für alle Clubs freiwilligen Aktion der DFL teilzunehmen.

“Bild” macht daraus eine beleidigt klingende Absage, als wollte Rettig sagen: “Irgendwann ist auch mal gut hier mit der ganzen Hilfe für diese Flüchtlinge.”

Im Gegensatz zu dieser vermeintlichen Haltung steht für die “Bild”-Leute ihre “Wir helfen”-Aktion. Doch wohlgemerkt: Wofür sich das Blatt (und auch die Deutsche Fußball Liga) seit Tagen feiert, ist nicht etwa die komplette Umbenennung des Bundesligaspieltags oder der Verzicht aller Trikot-Hauptsponsoren zugunsten eines großen “Refugees welcome”-Schriftzugs auf der Brust der Mannschaften (wie zum Beispiel beim Zweitligisten MSV Duisburg), sondern ein ein paar Quadratzentimeter großer Badge, bei dem optisch diejenigen im Mittelpunkt stehen, die helfen, und die Flüchtlinge wortwörtlich zur Randerscheinung werden.

Schon möglich, dass am Wochenende einige Fußballfans vor dem Fernseher sitzen, den Aufnäher sehen und denken werden: “Boah, toll, was mein Verein und die ‘Bild’ und Hermes und die Bundesliga so für Flüchtlinge machen.” Spätestens dann ist Kai Diekmanns Werbeplan aufgegangen.

Mit Dank an Michael P.

*Nachtrag, 19:41 Uhr: Nicht nur der 1. FC Union Berlin schließt sich dem FC St. Pauli an, sondern mindestens zwei weitere Zweitligaklubs: der SC Freiburg und der VfL Bochum.

Die Freiburger schreiben:

Für uns ist klar, dass es vor allem das glaubwürdige Engagement vieler lokaler Initiativen ist, das Flüchtlingen jetzt in enger Absprache mit örtlichen Behörden und überregionalen Hilfswerken ganz konkret hilft. Wir haben uns entschieden, morgen ohne den veränderten Ärmel-Aufnäher „Wir helfen” gegen die Bielefelder Arminia auf den Platz zu gehen.

Und beim VfL Bochum heißt es von Seiten des Vorstands:

Die VfL-Vorstände Christian Hochstätter und Wilken Engelbracht erklären hierzu: „Gegen Engagement ist nichts einzuwenden, im Gegenteil: Der VfL Bochum 1848 begrüßt sämtliche Hilfsmaßnahmen, die in Not geratene Menschen unterstützen. Wenn es also um die Sache gegangen wäre, wären wir kompromissbereit gewesen und hätten eine Aktion, die von der BILD mitgetragen wird, unterstützt. Allerdings hat uns die scharfe Reaktion seitens der BILD-Chefredaktion ob der Absage eines anderen Clubs an die Aktion dazu gebracht, sich mit diesem Verein solidarisch zu zeigen. Es darf unserer Ansicht nach nicht sein, dass jemand einem Verein die Solidarität mit Flüchtlingen abspricht, nur weil dieser nicht bereit ist, eine u.a. von der BILD initiierte Aktion zu unterstützen.

Ähnlich argumentiert auch ein fünfter Zweitligist, der 1. FC Nürnberg. Aus der Vereinsmitteilung wird unserer Meinung nach allerdings nicht zu 100 Prozent klar, ob die Mannschaft nun mit oder ohne “Wr helfen”-Aufnäher spielen wird:

Der 1. FC Nürnberg begrüßt die ligaweite Aktion für Flüchtlinge. Sie ist sinnvoll und unterstützenswert. Weil der 1. FC Nürnberg aber den Umgang mit den Vereinen, die an der freiwilligen Aktion nicht teilnehmen, für unangebracht hält, wird der Club auf eine besondere Promotion des Medienpartners verzichten.

Damit haben schon mal die drei aktuell besten Vereine der 2. Bundesliga der “Bild”-Werbeaktion abgesagt. Was noch fehlt ist der erste Erstligist. Ein bisschen Zeit ist ja aber noch.

Nachtrag, 18. September, 11:15 Uhr: Der Zweitligist MSV Duisburg sagt mit Blick auf die eigenen geplanten Aktionen der “Bild” ebenfalls ab:

Wir Zebras möchten den Einsatz der Menschen in Duisburg, unserer Fans und des Vereins für Flüchtlinge in den Vordergrund stellen. Angesichts der tief entbrannten und kontrovers geführten Diskussion um die Aktion “Wir helfen” befürchten wir einen Schatten über die von uns vorbereiteten Aktionen am Sonntag und in den kommenden Wochen. Das wollen wir vermeiden, deshalb verzichten wir auf das angebotene Aktions-Badge auf dem Trikotärmel.

Nachtrag, 17:26 Uhr: Im morgigen Zweitligaspiel zwischen dem TSV 1860 München und dem 1. FC Kaiserslautern wird kein “Bild” auf den Trikots zu sehen geben. 1860 wird zwar mit dem “Wir helfen”-Badge auf dem Ärmel auflaufen, aber das “Bild”-Logo mit einem weißen Herz überkleben. Kaiserslautern verzichtet komplett auf den Werbeaufnäher:

Aufgrund der aktuellen Entwicklungen mussten die Verantwortlichen des FCK feststellen, dass es in dieser Sache inzwischen leider nicht mehr um das Thema Hilfe für Flüchtlinge geht, sondern nur noch um die Haltung der Vereine zu einzelnen Medien. Daher hat sich der 1. FC Kaiserslautern nun entschlossen, nicht wie ursprünglich geplant mit dem entsprechenden Badge, sondern mit dem klassischen Logo des Partners Hermes aufzulaufen. Der FCK reagiert damit auf die Tatsache, dass durch die öffentliche Diskussion die eigentliche Botschaft in den Hintergrund gerückt ist.

Nachtrag, 18:56 Uhr: Fortuna Düsseldorf macht es wie 1860 München und klebt das “Bild”-Logo ab:

Damit ist auch das Spiel zwischen dem VfL Bochum und der Fortuna frei von “Bild”-Werbung auf den Trikots der Mannschaften.

Nachtrag, 19. September, 00:11 Uhr: Die “Braunschweiger Zeitung” meldet, dass Eintracht Braunschweig ebenfalls nicht an der “Wir helfen”-Aktion teilnehmen wird, und zitiert Eintracht-Präsident Sebastian Ebel:

“Im Vordergrund stehen die Motive und was Vereine für Flüchtlinge tun. Das sollte bewertet werden”, sagte Eintracht-Präsident Sebastian Ebel.

Nachtrag, 20. September, 14:59 Uhr: Zweitligist Greuther Fürth ist beim Auswärtsspiel bei Union Berlin — etwas überraschend — ohne die “Wir helfen”-Werbung der “Bild” aufgelaufen. Eine Anküdigung des Vereins gab es im Vorfeld nicht.

Maaslos, T-Offline, Dschungelliebe

1. Auf Hass gezielt, die Meinungsfreiheit getroffen
(zeit.de, Patrick Beuth)
Der Gesetzentwurf von Justizminister Maas soll dafür sorgen, dass soziale Netzwerke rechtswidrige Inhalte schneller löschen. Doch der Entwurf stößt auf breite Kritik, nicht nur von Seiten der Industrie, sondern auch von Juristen und Bürgerrechtlern: Er sei verfassungs- und europarechtswidrig, würde eine Aufgabe der Politik auf die Privatwirtschaft abwälzen und gravierende Folgen für die Meinungsfreiheit haben. “Zeit”-Autor Patrick Beuth hat sich den 29-seitigen Entwurf vom Ministerium zusenden lassen und die wichtigsten Kritikpunkte zusammengefasst.

2. Das musst du wissen, um Fake News zu verstehen
(perspective-daily.de, Dirk Walbrühl)
“Perspective Daily” versteht sich als mitgliederfinanziertes Online-Medium für “konstruktiven und lösungsorientierten Journalismus” und liefert pro Tag nur einen Beitrag aus. Aktuell beschäftigt sich der Autor Dirk Wahlbrühl mit dem Thema Fake News, welche Gründe dahinter stecken und was man dagegen tun kann. Er hat sich dazu zwei Gesprächspartner aus dem Medienbereich zu Hilfe geholt. Gelungen: Eine Grafik schlüsselt die unterschiedlichen Arten von Fake News auf.

3. 211 Medienschaffende im Bürgerkrieg getötet
(reporter-ohne-grenzen.de)
Syrien ist das weltweit gefährlichste Land für Journalisten: In den letzten sechs Jahren sind im Bürgerkrieg mindestens 211 Medienschaffende in direktem Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet worden. “Reporter ohne Grenzen” verlangt, dass Kriegsverbrechen an Journalisten in Syrien dem internationalen Strafgerichtshof vorgelegt werden. Bei den Vereinten Nationen wirbt die Organisation außerdem für die Einsetzung eines UN-Sonderbeauftragten für die Sicherheit von Journalisten, um die diversen UN-Resolutionen gegen die Straflosigkeit für Verbrechen an Medienschaffenden endlich durchzusetzen.

4. Der schleichende Tod der T-Online-Redaktion
(hessenschau.de, Mark Weidenfeller)
Für das Online-Portal “T-Online” arbeiteten jahrelang über 100 Redakteure, doch nach dem Verkauf des Portals wird die Redaktion aufgelöst und in Berlin mit deutlich weniger Personal neu aufgebaut. Aus dem Mitarbeiterkreis stamme die Information, es würden gerade einmal eine Handvoll Kollegen nach Berlin wechseln… Mark Weidenfeller berichtet von den unwirklichen letzten Tagen in der Redaktion und dem langsamen Abschied.

5. F wie Frittieren statt Fasten
(taz.de, Carolina Schwarz)
Vier Absolventinnen der Henri-Nannen-Journalistenschule wollten ein Magazin machen, das sie selbst gerne lesen. “Gruner + Jahr” hat den Versuch gewagt und das “F Mag” mit einer Auflage von 100.000 Exemplaren herausgebracht. Carolina Schwarz hat sich das Blatt angeschaut: “F Mag kann etwas Neues sein und eine Lücke auf dem Markt schließen, wenn sie über das Empowerment mutiger Frauen hinausgehen und selbst etwas Mut beweisen.”

6. Liebe zum Dschungel
(sueddeutsche.de, Kathrin Hollmer)
Die Trash-TV-Kolumnen von Anja Rützel sind legendär: Ihre Dschungelcamp-Abhandlungen auf “Spiegel Online” werden von einigen Lesern lieber konsumiert als die Sendung selbst. Nun erscheint von ihr bei Reclam die 100-seitige Fibel “Trash-TV”.

Satire-Sprachrohr, Vergoldete Kamera, Kimperator-Notizen

1. Erdogan bezeichnet Deniz Yücel als Terror-Helfer
(faz.net)
Die jüngsten Äußerungen des türkischen Präsidenten Erdogan über den inhaftierten “Welt”-Journalist Deniz Yücel lassen Schlimmes befürchten. Jedenfalls ist die Hoffnung auf eine baldige Freilassung Yücels erstmal in weite Ferne gerückt. Yücel sei ein Terror-Helfer und werde vor Gericht gestellt: „Gott sei Dank ist er festgenommen worden.“

2. Entschieden für die Kekse
(taz.de, Morgane Llanque)
Seit 2015 moderiert Trevor Noah die amerikanische “Daily Show”, eine erfolgreiche Satiresendung. Anlässlich des Erscheinens von Noahs Biographie erklärt “taz”-Autorin Morgane Llanque, warum die Sendung auch als eine Art Sprachrohr der Linken betrachtet werden kann: “Das Format ist das Vorbild der „heute-show“, doch die deutschen Komiker wie Oliver Welke oder auch Jan Böhmermann sind gegen die US-amerikanische Politsatire bloß leicht verdauliche Kopien. Die Originale sind nicht nur wesentlich scharfzüngiger und investigativer, sie beeinflussen auch in viel größerem Maße die politische Meinung der US-amerikanischen Linken. Fast mehr als die nicht satirischen Medien, sagen kritische Stimmen. Bei einer Befragung im Jahr 2010 gaben immerhin 10 Prozent der „Daily Show“-Zuschauer an, sie sähen die Sendung wegen der Nachrichten.”

3. Wenn das öffentliche Interesse schwerer wiegt
(faz.net, Reiner Burger)
Staatliche oder kommunale (bzw. teilstaatliche/teilkommunale) Unternehmen lassen Journalisten bei Rechercheanfragen gerne mal abblitzen und verweigern die Antwort. Damit ist nun Schluss wie der BGH in der Causa “Gelsenwasser” befand: „Dem vom Kläger verfolgten Informationsinteresse kommt ein größeres Gewicht als dem Interesse der Beklagten und der betroffenen Dienstleistungsunternehmen an der Geheimhaltung der Vertragskonditionen zu. Im Hinblick auf die sachgerechte Verwendung öffentlicher Mittel und die politischen Aktivitäten eines kommunal beherrschten Unternehmens besteht ein gewichtiges öffentliches Informationsinteresse.”

4. „Goldene Kamera“ ist Hamburg und dem ZDF einen Preis wert
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Nach der letzten Übertragung der Fremdschäm- und Peinlichkeitsgala “Die Goldene Kamera” (samt Ryan-Gosling-Prank) haben Sie gedacht, es könne nicht schlimmer werden? Dann lesen Sie, was Boris Rosenkranz herausgefunden hat: Die veranstaltende Funke-Mediengruppe kassiert von der Stadt Hamburg je ausgestrahlter Werbe-Revue 150.000 Euro, entnommen aus den Mitteln der Kulturtaxe.

5. Speed Watching ist das neue Binge Watching
(sueddeutsche.de, Julian Dörr)
Fernsehserien können regelrecht süchtig machen und so konsumieren manche Fans ihre Lieblingsserien per Bingewatching und schlingen ihre Serie gleich staffelweise herunter. Nun sollen sich Hardcore-Seriengucker in den USA auf “Speedwatching” verlegt haben und spielen die Videos zum Beispiel in der 1,25-fachen Geschwindigkeit ab. Julian Dörr merkt dazu kritisch an: “Serienschauen stand einmal für Entschleunigung, für die Verlangsamung des Alltags. Wider das neoliberale Effizienzdenken. Für die Ausschweifung und das Laissez-faire. Verschwende deine Zeit. Wer ewig lange Serien schaut, der ist nicht produktiv. Steckte in der Völlerei des “Binge Watching” noch der rebellische Akt der Maß-, Ziel- und Regellosigkeit, ist der “Speed Watcher” nichts anderes als ein systemkonformer Selbstoptimierer.”

6. Why is Kim Jong-un always surrounded by people taking notes?
(bbc.com, englisch)
Die nordkoreanische Nachrichtenagentur “KCNA” hat Dutzende von Fotos von Diktator Kim Jong-un an den unterschiedlichsten Orten herausgegeben, die allesamt etwas gemeinsam haben: Der Kimperator ist umgeben von Offiziellen und Generälen, die eifrig in ihre (identischen) Notizbücher schreiben. Wieso, weshalb, warum?

Pro-Adblock, Fischer-Brief, Fernsehballett

1. Richter fordern Auskunft über anonyme Hetzer
(zeit.de)
Die geplante Strafverschärfung gegen Onlinedienste, die rechtswidrige Postings nicht löschen, stößt nun auch bei Richtern auf Kritik. Der Deutsche Richterbund wünscht sich eine Verpflichtung, die Namen anonymer Verfasser von Hasskommentaren an die Betroffenen herauszugeben. Der Geschäftsführer des Deutschen Richterbundes: “Es macht auf die Täter weitaus mehr Eindruck, wenn ihre Hasskommentare nicht nur gelöscht werden, sondern ihnen auch empfindliche Strafen oder Schadensersatzforderungen drohen.”

2. Interview über Adblocker und das Wohlergehen der Schadsoftware-Branche: „Das Problem Malvertising nicht aussitzen!“
(netzpolitik.org, Ingo Dachwitz)
Onlinewerbung kann genutzt werden, um Schadsoftware zu installieren (“Malvertising”). Das Ausblenden von Werbung mittels Adblocker kann daher als eine Art digitale Selbstverteidigung gesehen werden. Das ist jedenfalls die Meinung von IT-Sicherheitsberater Thorsten Schröder, der sich gegen ein Verbot von Adblockern ausspricht. Schröders Aufforderung an die Verlage: “Es ist höchste Zeit, die Sicherheitsauswirkungen eines gescheiterten Finanzierungskonzepts für Online-Nachrichtenportale zu diskutieren! Liebe Verlage, das Problem Malvertising wird nicht kleiner, und ihr könnt es nicht aussitzen!”

3. Er packt noch eins drauf
(taz.de, Simone Schmollack)
“taz”-Redakteurin Simone Schmollack hat sich mit Thomas Fischer (bekannter Richter und Autor der Kolumne “Fischer im Recht” bei “Zeit Online”) zum Interview getroffen. Nach einem einigermaßen harmonisch klingenden Treffen fährt sie nach Hause, bereitet die Inhalte für eine “taz”-Doppelseite vor und schickt sie der guten Ordnung halber an ihren Interviewpartner zwecks Autorisierung. Doch nun beginnen die Probleme… Schmollack verzichtet letzten Endes auf den Abdruck des Interviews und schreibt sich ihren Frust in einem offenen Brief an Fischer von der Seele. Thomas Fischer hat inzwischen bei “Meedia” geantwortet.

4. „Die eigentlichen Narben sind für die Kamera nicht sichtbar” (Teil I)
(Erik Marquart, Marko Risovic, Stefan Günther)
Wie soll man als Fotojournalist mit der Flüchtlingsthematik umgehen? Bei stetig steigender Nachfrage nach neuem Material, ökonomischem Druck und dem Wissen, dass mit den Bildern auch Politik gemacht wird? Ein serbischer und ein deutscher Fotograf reden darüber, warum der eine die Situation der Flüchtlinge in Belgrad in den letzten Wochen dokumentiert hat und der andere nicht.

5. Lechz! Würg! Stöhn!
(spiegel.de, Linus Volkmann)
Geschichte und Erfolg des amerikanischen Satireblatts “MAD” sind in Deutschland eng mit dem Namen Herbert Feuerstein verknüpft. Bei Ausgabe 32 stieg Feuerstein als Ein-Mann-Redaktion ein. Damals betrug die Auflage noch unter 8.000 Exemplaren, doch das sollte sich ändern: Zu den besten Zeiten in den Achtzigerjahren erreichte das Nonsenseblatt eine Verkaufsauflage von 300.000 Stück. Linus Volkmann zeichnet die Geschichte des Blatts voller Wahnsinn, Albernheiten und Rebellion nach und lässt ihren deutschen Mastermind Feuerstein zu Wort kommen.

6. Kuttner und Niggemeier: „Wir helfen dem Fernsehen“
(haz.de, Imre Grimm)
Sarah Kuttner und Stefan Niggemeier starten einen Fernseh-Podcast: „Das kleine Fernsehballett“ ist ab sofort jeden Dienstag beim Musikstreamingdienst Deezer zu hören. Im Interview verraten die beiden, was es mit dem neuen Format auf sich hat, über welche Sendungen sie sich bevorzugt aufregen und wie sie sich kennengelernt haben (“Ich bin zu dem freundlicheren älteren Herrn gegangen und habe gefragt, ob ich seinen Hund streicheln darf”).

Dunz-Festspiele, Kolonialhumor, Storchenklage

1. Vom Erfolg, dem US-Präsidenten eine Frage gestellt zu haben
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Die deutsche “dpa”-Journalistin Kristina Dunz hat dem amerikanischen Präsidenten beim Merkelbesuch eine kritische Frage gestellt und wurde dafür von ihrem “dpa”-Vorgesetzten und weiteren Medien vielfach und ausgiebig gefeiert. Stefan Niggemeier von “Übermedien” kann mit den “Dunz-Festspielen” aus vielerlei Gründen wenig anfangen.

2. Stellungnahme zur Karikatur in der FAZ zum Thema „Erdogan möchte eine Rede halten“
(isdonline.de)
Das Karikaturistenduo Greser & Lenz hat auf “faz.net” ein Bild veröffentlicht, das bei vielen Menschen für Entsetzen gesorgt hat, die darin Rassismus sehen (Erdogan im Kannibalen-Kochtopf. Sprechblasentext: “Massa Osman wolle halte eine Rede”). Nun hat der Verein “Initiative Schwarze Menschen in Deutschland” eine Stellungnahme abgegeben und verlangt eine Entschuldigung.

3. Fischer, Frauen und die taz: Thomas Fischer zur Geschichte eines gescheiterten Interviews
(meedia.de, Thomas Fischer)
Gestern haben wir hier den offenen Brief der “taz”-Redakteurin Simone Schmollack an den BGH-Richter und “Zeit Online”-Kolumnisten Thomas Fischer verlinkt. Schmollack hatte sich den Frust über ein nicht autorisiertes Interview mit Fischer von der Seele geschrieben. Nun antwortet Fischer beziehungsweise schlägt zurück.

4. Klage gegen Buch über AfD: Von Storch schießt scharf gegen “Spiegel”-Journalistin Amann
(kress.de, Bülend Ürük)
Nach Informationen von “kress” will die AfD-Europaabgeordnete Beatrix von Storch einen Verkaufsstopp des Buches “AfD – Angst für Deutschland” der “Spiegel”-Journalistin Melanie Amann bewirken. Streitpunkt sei eine Textstelle, die ein Zitat von Beatrix von Storch aus der Debatte um einen Schießbefehl auf Frauen an der Grenze aufgreift. Der Verlag will sich hinter seine Autorin stellen: “Wir werden mit allen rechtlichen Mitteln gegen diesen Versuch, den Verkauf des Buches zu stoppen vorgehen.”

5. Klagewelle gegen die ARD
(rnd-news.de, Ulrike Simon)
Zwischen den Verlagen und Öffentlich-Rechtlichen wird immer wieder hart darüber gestritten, wer was darf. Die Verlage sehen in den Webangeboten der Öffentlich-Rechtlichen eine Bedrohung: Die Fernsehanstalten mögen sich auf Video und Audio beschränken. Texte und Fotos seien Sache der Verlage! Nun wollen die Verlage gegen den “rbb” vorgehen, auf dessen Internetpräsenz sie angeblich zu viel Text entdeckt hätten. Ulrike Simon erklärt den Konflikt und rätselt, wen es als nächstes trifft.

6. Ende der Tonspur
(sueddeutsche.de, Marc Hairapetian)
Eines der ältesten und größten deutschen Synchronunternehmen, die “Berliner Synchron”, zieht auf einen modernen Campus um. Anschließend werden die historischen Studios abgerissen. Anlass an den fast romantischen Charme des alten Gebäudes und seine besonderen Geschichte zu erinnern.

Kommissar Reichelt und die “Bild”-Sheriffs üben Titelseiten-Selbstjustiz

Auch für Idioten gilt die Unschuldsvermutung. Auch Idioten müssen sich keine Vorverurteilung gefallen lassen. Auch Idioten sind nicht gleich “Verbrecher”, nur weil jemand ein Foto von ihnen gefunden hat, aus dem man ableiten könnte, dass sie eine Straftat begangen haben. Auch Idioten haben Persönlichkeitsrechte. Auch Idioten haben ein Recht am eigenen Bild.

Wir schreiben das so deutlich, weil die “Bild”-Redaktion das alles anders zu sehen scheint:


(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns. Bei “Bild” und Bild.de waren die Gesichter aller Personen zu erkennen.)

So sah gestern die Titelseite der “Bild”-Zeitung aus. Die Fahndung nach den “G20-Verbrechern” erstreckte sich auch aufs Internet, prominent platziert bei Bild.de:

Insgesamt 18 Personen, die am vergangenen Wochenende irgendwas in Hamburg gemacht haben sollen, haben die “Bild”-Medien an den Pranger gestellt, mit vergrößerten Gesichtern und der Beschreibung von besonderen Merkmalen. Manche von ihnen sind beim Werfen eines Steins zu sehen, manche beim Tragen eines Steins. Eine Frau ist kurz davor, eine leere Cola-Flasche wegzuschleudern. Eine andere hat zwei volle Flaschen Kindersekt unter den Arm geklemmt. Was die Leute davor gemacht haben oder danach, wohin die Steine und Flaschen fliegen, die sie in den Händen halten, ob sie bei manchen überhaupt fliegen oder nicht doch wieder fallen gelassen werden — nichts davon ist bekannt, und nichts davon lösen “Bild” oder Bild.de auf.

Das alles ist gleich aus mehreren Gründen mindestens problematisch, teilweise wohl auch rechtswidrig. Es fängt an mit der Vorverurteilung durch die “Bild”-Medien. Bereits in der Titelzeile steht fest, dass es sich um “Verbrecher” handele (wobei schon das Wort “Verbrecher” falsch ist, weil es sich erst dann um ein Verbrechen handelt, wenn die Mindestfreiheitsstrafe ein Jahr beträgt, etwa bei Mord oder schwerer Körperverletzung, nicht aber bei schwerem Landfriedensbruch — dort spricht man von einem Vergehen). Die Unschuldsvermutung, die für jeden Menschen gilt, gilt nicht bei “Bild”. Während man normalerweise erst nach einer rechtskräftigen Verurteilung ein Straftäter ist, reicht für die Redaktion schon eine Momentaufnahme, um ein Urteil zu sprechen. Ein möglicher Kontext ist dabei völlig egal.

Und das ist dann auch schon das nächste Problem: Die “Bild”-Medien nehmen Rollen ein, die nichts mehr mit der normaler Berichterstatter zu tun haben. In guten Momenten werden Medien zur vierten Gewalt, weil sie die drei anderen Gewalten — Legislative, Exekutive und Judikative — überwachen. “Bild” reicht das offenbar nicht mehr. Stefan Niggemeier schreibt bei “Übermedien” dazu:

Die Zeitung übernimmt die Rolle des Fahnders, und sie maßt sich dabei gleichzeitig die Rolle des Richters an. Ihr Urteil über die Menschen, nach denen sie öffentlich fahnden lässt, ist schon gefällt, und ein Teil der Strafe in Form des öffentlichen Prangers schon vollstreckt.

Dass “Bild” überhaupt öffentlich nach Personen fahndet, sei “klar rechtswidrig”, sagt Dr. Marcel Leeser, Medienanwalt bei der Kölner Kanzlei “Höcker Rechtsanwälte”:

Öffentliche Fahndungsaufrufe müssen immer durch einen Richter angeordnet werden. Sie sind nur zulässig bei Straftaten von erheblicher Bedeutung. Nur in Notfällen dürfen auch Staatsanwaltschaft und Polizei die öffentliche Fahndung anordnen. Keinesfalls dürfen Private oder Medien im Alleingang Menschen zur Fahndung ausrufen.

Und dann gibt es noch das Recht am eigenen Bild. “Fotos von Demonstrationen oder der Begehung von Straftaten können zwar in vielen Fällen veröffentlicht werden”, sagt Leeser. Die Art und Weise, wie der “Bild”-Medien die Fotos präsentieren, mit Zoom auf die Gesichter, verletzte “aber eindeutig deren Recht am eigenen Bild.”

“Bild” und Bild.de tun den abgebildeten Personen Unrecht. Ohne dass je ermittelt wurde, was diese tatsächlich getan haben, stellen sie sie an den Pranger. Gerade erst am vergangenen Wochenende, ebenfalls aufgrund von Berichten über die Geschehnisse rund um den G20-Gipfel, konnte man sehen, wie das Missachten der Unschuldsvermutung nach hinten losgehen kann. Bild.de schrieb am Freitag über einen Böller, der vor einem Polizisten explodiert ist. Dazu veröffentlichte die Redaktion dieses im Original unverpixelte Foto:

Im Artikel steht dazu:

Auf einem der zahlreichen Randale-Bilder vom Freitag ist zu sehen, wie einer der Tausenden G20-Chaoten vor einem Beamten steht, der schwer verletzt in die Knie geht – der Mann hat dem Polizisten kurz zuvor einen Böller direkt ins Gesicht geworfen!

Das stimmt allerdings gar nicht. Der Mann, der auf dem Foto zu sehen ist, hat mit dem Böllerwurf nichts zu tun. Die Hamburger Polizei griff — auch wegen des Bild.de-Berichts — bei Twitter ein, weil man “einen Unschuldigen vor einer ‘Online-Hetzjagd’ schützen” wolle:

Bild.de fügte der Bildunterschrift später die Information hinzu, dass der Böller-Werfer nicht auf dem Foto zu sehen sei. Gelernt haben die “Bild”-Medien aus diesem Fall aber offenbar nichts, wie die Titelseiten von Montag eindrucksvoll zeigt.

Die “GESUCHT!”-Aktion hat bereits konkrete Folgen. Heute meldete “Bild” — sicher nicht ohne Stolz — auf der Titelseite: “GESTELLT!”, nachdem sich einer der Abgebildeten bei der Polizei gemeldet hat:

Max Hoppenstedt schreibt bei “Vice”, dass es auch erste Kopfgelder gibt, die von rechten Internetseiten ausgelobt wurden, auf Grundlage der bei der “Bild”-Fahndung gedruckten Fotos.

Stefan Koldehoff sieht beim “Deutschlandfunk” “die Unabhängigkeit der Presse” durch die “Bild”-Zeitung “massiv beschädigt”:

Ohne damit die Hamburger Gewalttäter auch nur ansatzweise verstehen und verteidigen zu wollen: Wer sich so verhält, wie es die “BILD-Zeitung” heute tut, bestärkt all jene, die in Medien ohnehin nur den verlängerten Arm des Staates – die angebliche “Staatspresse” — sehen. Und das kann ernsthaft niemand wollen. Die Unabhängigkeit der Presse hat “BILD” heute massiv beschädigt.

Und Medienanwalt Ralf Höcker weist im Interview mit “Meedia” darauf hin, dass die Vorverurteilung durch “Bild” und der mediale Pranger sich bei einem möglichen Strafverfahren gegen die abgebildeten Personen auf das Strafmaß auswirken könnte:

Mit ihrer journalistischen Amtsanmaßung machen die Chefredakteure Julian Reichelt und Tanit Koch es am Ende alles nur noch schlimmer. Sie tun möglicherweise Unschuldigen unrecht und sorgen gleichzeitig dafür, dass tatsächliche Täter mit einer geringeren Strafe davonkommen.

Trotz all dieser Bedenken findet “Bild”-Chefredakteurin Tanit Koch die Aktion ihrer Zeitung völlig in Ordnung. Sie beruft sich bei ihrem Urteil auf die “Vedachtsberichterstattung”:

Nun bedeutet “Verdachtsberichterstattung” eigentlich, dass man besonders zurückhaltend berichtet und extra kenntlich macht, dass es sich lediglich um einen Verdacht handelt. “Bild” macht das exakte Gegenteil und spricht von “Verbrechern”. Entweder weiß Tanit Koch nicht, was “Verdachtsberichterstattung” bedeutet. Oder sie stellt sich extra blöd. Egal wie — es wäre recht traurig.

Ebenfalls zum Thema:

Mit Dank an Martin, Jan, Christian M., Daniel W., Viktor F., Jens A. L., Kenneth W., Ion L., @r_ebener, @rainerzufall_le, @DJ_anzen und @gamgeaDavid für die Hinweise!

Harvey Weinstein in Norbert Körzdörfers Sex-Sammelsurium

Die “Bild”-Zeitung hat seit Montag eine “NEUE SERIE”, in der es um den “SKANDAL ‘WEINSTEIN'” gehen soll, also um die Missbrauchs-Vorwürfe gegen Filmproduzent Harvey Weinstein. Gestern erschien Teil eins:

Ausriss Bild-Zeitung - Der Skandal Weinstein - Er zwang Frauen, seine Kronjuwelen zu küssen als sei es der Siegelring des Papstes - Die Schönen und das Biest

Heute Teil zwei:

Ausriss Bild-Zeitung - Der Skandal Weinstein - In der Traumfabrik ging es immer auch um Sex - Hollywood, die Stadt der Sünde

Morgen soll Teil drei kommen. Wir wagen keine Prognose, wie lang diese Serie noch gehen wird. Autor ist jedenfalls Norbert Körzdörfer, und es ist so schlimm, wie man nach dieser Information befürchten kann.

Beide bisher erschienenen Ausgaben sind Sammlungen von Anekdoten und Gerüchten aus Hollywood. Der einzige Zusammenhang: Sex. Körzdörfer schreibt solche Sätze:

Hollywood war immer Penis-fixiert. Ein Film-Boss zu BILD: “Hier haben große Penisse Filme für kleine Penisse gemacht”

30 Jahre Ego-Orgie — mit Stöhnen und Schweigen.

Warum ist Hollywood immer auch ein sexuelles Sodom und Gomorrha?

Nach dem dritten Drink an der Bar hört man immer dieselbe Story: Der Oscar (3,9 Kilo schwer) ist gerüchte-geflüstert angeblich dem Penis eines Stunt-Stars nachempfunden — er ist 34 cm lang.

Sex ist die Währung des Erfolgs.

Warum fahren nachts so viele “Stretchlimos” von Club zu Club — es ist ein motorisiertes Phallus-Symbol.

Wenn Johnny Depp im Club “Viper Room” sitzt, will jeder Mini-Rock mit High Heels in die VIP-Sektion.

Das alles stammt aus Serien-Teil eins. In Teil zwei geht es ähnlich weiter:

Gab es nicht schon immer männliche “Godzillas”, die sexy “Bambis” jagten?

Legendär war auch sein [Charlie Chaplins] Penis. “Glied-Gespräche” waren Klatsch-Talk. Eine seiner Geliebten (drei Millionen Abfindung von fünf Ehe-Männern) fragte ihn: “Stimmt das, was alle Mädchen behaupten — dass du bestückt bist wie ein Hengst?”

Der deutsche Kult-Regisseur F. W. Murnau († 42) war homosexuell. Er starb bei einem Autounfall 1931. Am Steuer saß sein 14-jähriger philippinischer Diener — mit dem er es angeblich getrieben hat.

Sein [Rudy Valentinos] Lieblings-Geschenk: ein schwarzer Dildo aus Blei (Art-dèco-Stil) mit seinem Autogramm in echtem Silber.

Die platinblonde Sexbombe Jean Harlow († 26) über ihr Liebes-Rezept: “Männer lieben mich, weil ich keine Unterwäsche trage. Und Frauen mögen mich auch — weil ich ihnen nie einen Mann stehlen würde — jedenfalls nicht für lange.”

Als Frauen-“Monster” galt die blonde Sex-Löwin Mae West († 87). Sie umgab sich mit muskulösen Leibwächtern, die sie in den Drehpausen vögelte.

Wer hatte was mit wem in Hollywood? Wessen Penis war der größte? 34 Zentimeter? Marlene Dietrich verführte John F. Kennedy. Jack Nicholson lockte viele Frauen in seine Limousine. Hier wurde gevögelt, da wurde es getrieben. Das ist der Stoff, den die “Bild”-Redaktion für angemessen hält, um den “SKANDAL ‘WEINSTEIN'” in einer Serie aufzuarbeiten, also den mehrfachen mutmaßlichen Missbrauch von Frauen sowie mutmaßliche Vergewaltigungen.

Für Körzdörfer und “Bild” geht es nicht um Machtstrukturen, die Weinstein all das erst ermöglicht haben sollen, um offizielle oder unausgesprochene Schweigeabkommen, um Mitwisser und Helfer. Sie schauen nicht auf andere gesellschaftliche Bereiche, in denen Männer ihre Positionen ebenfalls regelmäßig sexuell ausnutzen, in Chefetagen, an Universitäten, in Redaktionen. Es geht ihnen stattdessen um Dildo-Geschenke und die Frage, wer wie ein Hengst bestückt ist.

Und noch schlimmer: Körzdörfers große Sammlung von sündigen Hollywood-Geschichtchen wirkt, als wäre das, was Weinstein vorgeworfen wird, nur eine weitere Anekdote in diesem alltäglichen Wahnsinn. “Legendär ist die ‘Besetzungscouch’ von Harvey Weinstein — um an eine glitzernd-glänzende Rolle zu kommen, mussten viele Schauspielerinnen erstmal die Kronjuwelen des Mega-Produzenten polieren” könnte ebenfalls in Körzdörfers Sex-Sammelsurium stehen. Alles ganz normal also?

Heute haben Norbert Körzdörfer und “Bild” schon mal Folge drei ihrer Serie “SKANDAL ‘WEINSTEIN'” angeteasert:

Morgen in BILD

Das “Neue Hollywood” nach dem Weinstein-Skandal?

Ein Film-Boss zu BILD: “Wenn Sie einer schönen Frau ein Kleider-Kompliment machen, kann das schon als sexuelle Belästigung missverstanden werden!”

Na, toll — erst darf man in Hollywood keine Frauen mehr missbrauchen, und bald darf man dort gar nichts mehr sagen.