Arbeit

Runde zweihundert Jahre lang hat sozialdemokratische Politik dafür gekämpft, dass Arbeitsplätze nicht mehr Orte der Ausbeutung sind, sondern Orte der Mitbestimmung und der Sinnstiftung werden. Dabei hat der sozialdemokratische Gedanke in enger Verschränkung mit der gewerkschaftlichen Bewegung Unglaubliches geleistet für ein würdevolles Leben der Arbeitenden in diesem Land und in der Welt.

Heute beginnt sich das Verständnis davon, was ein Arbeitsplatz ist, zu wandeln. Und bedeutenden Anteil daran hat das Internet. Indem wir uns in Deutschland schrittweise davon wegbewegen, eine Industriegesellschaft zu sein, und dahin bewegen, über Know-How und intellektuelles Kapital mit Erfolg an den Weltmärkten zu bestehen, hören Arbeitsplätze auf, feste Orte zu sein und beginnen, sich in Zustände zu verwandeln. Viele Menschen erleben ihren Arbeitsplatz heute immer häufiger und immer intensiver als intellektuelle Beschäftigung, als Herausforderung des Austausches und Dialogs mit anderen (oft auf anderen Kontinenten), als Kommunikations- und Wissensaufgabe. Und immer weniger als einen bestimmten Ort, an dem sie oder er sich einzufinden hat. Natürlich gilt dies nicht für alle Arbeitenden. Aber es gilt für eine stetig steigende Zahl.

Damit müssen sich auch die Anforderungen an die Arbeits- und Sozialpolitik verändern. An erster Stelle steht dabei, die Ermöglichung flexibler Arbeitszeiten und -orte als erstaunliche Verbesserung wahrzunehmen – sowohl im Hinblick auf die Arbeits- wie auf die Familienpolitik: wer als Wissensarbeiter selbstbestimmter arbeiten kann, schafft sich Freiheit für die Gestaltung des eigenen Arbeitsplatzes, erlebt eine größere Nähe zur Familie und damit vor allem auch die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit für Frau und Mann. Wenn ein Elternteil zu festen Uhrzeiten am Arbeitsplatz erscheinen muss, ist das andere eher gezwungen, auf das Arbeiten zu verzichten. Sobald ein höheres Maß an Eigengestaltung möglich wird, können beide viel einfacher ihren Beitrag zur Erziehung der Kinder leisten – und damit einander gegenseitig beruflich erfolgreiche und erfüllende Karrieren ermöglichen.

Eine gerechte und faire Politik im digitalen Zeitalter besteht daher darin, ein umfassendes neues Verständnis von fairer Arbeit und sozialen Arbeitsumständen zu entwickeln, die sich für eine Gesellschaft eignen, in der Arbeitsplätze immer häufiger Zustände werden anstatt Orte zu sein. Damit muss auch ein Wandel vom sozialen Verständnis der Arbeitsmarkt- und der Sozialpolitik einhergehen, die sich bislang am klassischen Normalarbeitszeitverhältnis ausrichtet. Die Bedeutung von definierten Arbeitszeiten verändert sich, und flexible Beschäftigungen müssen auf neuen Wegen abgesichert werden. Wie kann Mitbestimmung aussehen in Zeiten, in denen die Menschen vielleicht dazu neigen, „sich selbst auszubeuten“, dies aufgrund intrinsischer Motivation vielleicht auch eine Zeit lang gerne tun? Wie verändern sich angesichts der digitalen Anforderungen eigentlich die Ausbildungsberufe? Die Politik sieht sich hier anspruchsvollen Fragen gegenüber – denen sie sich stellen muss.

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