Verein

Wir haben diesen Verein gegründet, weil wir die C64-Generation sind. Nicht jeder von uns hatte einen in den 80er Jahren. Manche haben vielleicht nur permanent davon geträumt, andere mussten bei (durchaus hin und wieder unsympathischen) Freunden rumhängen, nur um darauf zu warten, dass die Datasette geladen hatte – weil das die einzige Möglichkeit war, mit dem Gerät auch einmal etwas machen zu können. Aber wir sind alle mit dem Aufkommen des Personal Computers groß geworden. Und er hat uns mit seiner Magie seitdem nicht mehr losgelassen.

Dabei war der Personalcomputer ja nur der allererste Schritt. Die wahre Revolution, der enorme Befreiungsschlag entstand ja erst mit seiner Verbindung zum Internet. Mit einem Mal wurde aus dem zuweilen doch recht leblos erscheinenden Kasten ein Fenster und Zugang zu der ganzen Welt. Kühnste Träume wurden übertroffen, als in einem kurzen Augenblick aus dem Internet das Web und einen weiteren Wimpernschlag später das mobile Web wurde. Manch einer, der heute sein Smartphone streichelt, kann es vielleicht manchmal noch gar nicht glauben – wenn man sich erinnert, wie man gelernt hatte, dank diverser Tricks in der autoexec.bat den konventionellen Speicher freizuräumen, weil die großen Rechnerkästen vor wenigen Jahren ja einfach nicht in der Lage gewesen waren zu verarbeiten, was wir verarbeiten wollten.

Jetzt sind wir erwachsen geworden und keine Spinner mehr – oder nicht mehr nur. Wir stehen mitten im digital vernetzten Arbeitsleben, haben teilweise Familie und Kinder und irgendwann damit angefangen, uns mit Problemen auseinanderzusetzen, die über Datasette, Memory-Upgrade und SSD-Platten hinausgehen. Und so wurde manchem von uns klar, dass man mittlerweile längst daran gehen muss, die Leidenschaft für das Internet mit einer bestimmten Ernsthaftigkeit zu verbinden – eine Ernsthaftigkeit, die daraus erwächst, dass von unseren naiven Träumen nur noch wenig übrig ist. Wenig übrig nicht deshalb, weil unsere Träume wirkungslos verpufft sind – ganz im Gegenteil: die Realität hat viele der kühnsten Träume in einer derartig atemberaubenden Weise einge- und überholt, dass wir zum Teil nach Luft schnappen. Und dass wir begreifen: der Wandel in der Gesellschaft ist fundamental, die digitale Maschine strukturiert unsere Welt in einer Weise um, die kaum vorhersagbar erscheint.

Wenn selbst die letzten konservativen Hinterbänkler zu begreifen beginnen, dass das Internet nicht mehr weggehen wird und zu einem integralen Bestandteil unserer zivilen Gesellschaft wird, dann muss ein von uns entwickeltes progressives Politikverständnis heute mindestens drei Schritte weiter sein. Erste Schritte in die Richtung, die uns richtig erscheint, werden bereits heute gegangen: mit dem Koalitionsvertrag der Berliner SPD-CDU-Regierung wurde erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik die Netzpolitik mit einem eigenen Ressort in die Regierungsarbeit integriert.

Gleichzeitig sind die Bedrohungen dieser unfassbaren Ressource für Bürgertum, Aufklärung, Vernetzung und Widerstand durch kommerzielle und fehlgeleitete politische Interessen so groß wie nie zuvor. Manche Mitglieder der Urherberrechtslobby wollen Menschen den Internet-Zugang als Strafe für illegale Downloads verbieten. Kontroll- und Sperrinfrastrukturen sollen eingezogen werden – mal als hilflose Massnahme gegen Kinderpornographie, mal zum „Schutz der Jugend“ und dann wieder auf Wunsch der Filmindustrie. Die ungeheure Macht einzelner Unternehmen – wie Google, Apple oder Facebook – und deren (teils gut dokumentierte) Zensurmaßnahmen zeigen, dass auch von den bewundernswerten Vorkämpfern des modernen Internets Gefahren ausgehen. Und die Netzbetreiber denken über privilegierte Schnell-Verbindungen für Besserzahlende nach – die Liste antidemokratischer und unsozialer Maßnahmenideen ließe sich noch eine Weile fortführen. Diesen Herausforderungen muss sich eine demokratische Gesellschaft stellen. Und daran wollen wir unseren Anteil leisten.

Wir sind davon überzeugt, dass alles getan werden muss, um den Zugang zum Internet zu einem Grundrecht zu machen und gegen derartige Zensur- und Abschaltbestrebungen gesetzlich zu schützen. Und natürlich sind wir für einen deutlich beschleunigten Ausbau des Netzes, damit wirklich alle eine Zugriffsmöglichkeit bekommen – damit würden nicht nur Partizipation und Aufklärung befördert, sondern auch der Zugang zu Arbeit und anderen Entfaltungsmöglichkeiten des digitalen Lebens.

Wir sind vor allem aber auch davon überzeugt, dass hierzulande die Diskussion bislang zu einseitig über die Gefahren des Netzes geführt wird. Vernachlässigt werden dabei die unglaublichen Chancen, die das Internet für nahezu alle Lebens- und Gesellschaftsbereiche bietet.

D64 will diesen Aspekt in der Diskussion stärken und bei möglichst vielen Leuten das Leuchten in den Augen wecken, das einst beim Aufflackern der Datasette-LED zu sehen war, wenn es in der Zukunft um das Internet geht.