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FIfF-Kommunikation 2/2020 erschienen

Corona und Datenschutz / Gesundheitswesen im Datenrausch

FK 2/2020 Titelbild

Die Corona-Pandemie bestimmt seit Monaten die Schlagzeilen, mit drastischen Auswirkungen auf unser Leben und unseren Alltag. Die Auswirkungen auch auf Grundrechte, den Datenschutz und die Digitalisierung sind nicht zu übersehen. Damit ist die Pandemie und ihre Auswirkungen auch ein Thema für die aktuelle Ausgabe der FIfF-Kommunikation. Das Thema ergänzt unseren bereits lange geplanten Schwerpunkt Gesundheitswesen im Datenrausch, der die fortschreitende Digitalisierung des Gesundheitswesens kritisch unter die Lupe nimmt.

Der Schwerpunkt setzt sich aus unterschiedlichen Perspektiven in fünf Beiträgen mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens und den damit verbundenen Risiken auseinander. Im eigenen Schwerpunkteditorial heißt es dazu: „Seit mehr als 20 Jahren verfolgt die Bundesregierung – völlig unbeeinflusst von der unterschiedlich geprägten parteipolitischen Zusammensetzung der jeweiligen Regierungskoalition – einen Kurs der Digitalisierung und Technisierung des öffentlichen Gesundheitswesens, mittlerweile häufig auch ,Gesundheitswirtschaft‘ genannt. … Von Beginn an war die Digitalisierung und Technisierung des öffentlichen Gesundheitswesens auch Gegenstand der Kritik ...“

In fünf Aufsätzen beschäftigen sich eine Autorin und vier Autoren mit unterschiedlichen Aspekten der derzeitigen Auseinandersetzung um die Digitalisierung des Gesundheitswesens: Sylvia Johnigk geht der Frage nach, ob In Deutschland eine radikale Transformation des Gesundheitswesens stattfindet, die grundsätzlich das Ziel verfolgt, Gesundheitsdaten einer besseren Verwertbarkeit durch Forschung und Wirtschaft zuzuführen. Prof. Dr. Gerd Antes übt Kritik daran, dass „die Medizin im Datenrausch“ sei, bei Big Data im Gesundheitswesen aber eine Bewertung von Nutzen – Risiko – Kosten der Digitalisierung fehle. Prof. Dr. Wulf Dietrich erörtert, wie mit dem am 1. Januar 2020 in Kraft getretenen Implantate-Register-Gesetz der Datenschutz ausgehebelt wird. Dr. Thilo Weichert setzt sich mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz auseinander, das Ende 2019 beschlossen wurde und mit dem unter dem Stichwort Datentransparenz auf pseudonymer Basis eine bevölkerungsweite Datenbank mit Gesundheitsdaten u. a. für Forschungszwecke geschaffen wird. Jan Kuhlmann informiert über die Protestbewegung gegen die Telematikinfrastruktur.

Neben dem Schwerpunkt nimmt das Corona-Virus und seine Folgen in diesem Heft breiten Raum ein. Stefan Hügel, Vorsitzender des FIfF und Mitglied der Redaktion sagt dazu: „Die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen in Form von Abstandsregeln und Kontaktsperren haben die Digitalisierung unserer Gesellschaft vielleicht stärker vorangetrieben als manche politischen Programme.“ Technische Lösungen werden nun eingesetzt, um die Entwicklung der Pandemie zu verfolgen und ihre Auswirkungen einzudämmen. Eine Corona-App soll dies bewerkstelligen – dahinter verbirgt sich aber ein ganzes Bündel von Zielsetzungen und technischen Konzepten

Stefan Hügel weiter: „Die Diskussionen zeigen, dass es von der schlichten Forderung: ,Wir brauchen eine App!‘ bis zur Klärung, was eigentlich damit erreicht werden soll, ein längerer Weg werden kann. Das beginnt bereits damit, dass offenbar nicht einmal ein einheitliches Verständnis von Datenschutz zugrundegelegt wird. Auch dürfen wir nicht in einen Solutionismus verfallen, der für jedes Problem an eine technische Lösung glaubt.“ 

Nach längerer Diskussion steht nun die individuelle Warnung vor einem Infektionsrisiko im Vordergrund. Zur Corona-App haben Kirsten Bock, Christian Ricardo Kühne, Rainer Mühlhoff, Měto R. Ost, Jörg Pohle und Rainer Rehak Pionierarbeit geleistet: Sie haben eine Datenschutz-Folgenabschätzung für eine – zu diesem Zeitpunkt noch hypothetische – Corona-App erarbeitet. Weitere Stellungnahmen aus der Zivilgesellschaft schließen sich an. Auch in unserer Rubrik Netzpolitik.org nehmen diese Themen breiten Raum ein, beispielsweise zur Situation des digitalisierten Schulunterrichts.

Vom Projekt Gendering MINT digital, das Unterrichtsmaterialien zur Vermittlung von Gender-Wissen und Gender-Kompetenzen anbietet, berichtet Göde Both. Social Media und Folgen ihrer extremen Reichweite untersucht Dominik Wetzel in seinem Beitrag Individualisierte Propaganda. „Das ist gefährlich, wie der Fall um Cambridge Analytica zeigt“, so der Autor. Er fordert, Strukturen zu schaffen, die Erstellung und Handel mit psychologischen Profilen von KundInnen verhindern. Berichte aus dem FIfF und Rezensionen runden die Ausgabe ab.