Die GFF hat gemeinsam mit der Humanistischen Union, den Datenschützern Rhein Main und dem Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung eine Verfassungsbeschwerde gegen das Hessische Polizeigesetz und Verfassungsschutzgesetz eingelegt. Die Beschwerde richtet sich gegen eine Gesetzesnovelle, welche die Überwachungsbefugnisse von Polizei und Verfassungsschutz massiv ausweitet. In Hessen dürfen die Behörden nun sogenannte Staatstrojaner einsetzen. Mit der Software Hessendata werden personenbezogene Daten zentral und automatisiert ausgewertet. Diese und weitere Änderungen verletzten die Grundrechte aller Bürger*innen und sind verfassungswidrig.
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Hessen folgte 2018 der bundesweiten Entwicklung hin zu schärferen und oft grundrechtswidrigen Polizeigesetzen. Die Gesetzesnovelle vom 4. Juli 2018 gibt der Polizei teils erweiterte, teils neue Möglichkeiten zur Überwachung informationstechnischer Systeme. So wurde die im Hessischen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (HSOG) enthaltene Rechtsgrundlage für die Überwachung laufender Kommunikation (Quellen-TKÜ) erweitert sowie Rechtsgrundlagen für Online-Durchsuchungen und die Nutzung einer Big-Data-Analysesoftware geschaffen.
Hessentrojaner eingeführt
Diese Änderungen gefährden die IT-Sicherheit aller Bürger*innen. Denn Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchungen erfordern das Aufspielen staatlicher Spähsoftware auf ein Gerät. Dafür werden IT-Sicherheitslücken ausgenutzt. Dies setzt falsche Anreize bei der Polizei: statt Sicherheitslücken den Herstellern zu melden, kann die Polizei diese geheim halten und für Überwachungsmaßnahmen ausnutzen. Dieselben Sicherheitslücken können dann aber auch Cyberkriminelle und ausländische Geheimdienste für Cyberangriffe nutzen. Der sogenannte Hessentrojaner verletzt somit das Grundrecht aller Bürger*innen auf die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, kurz IT-Grundrecht.
Gläserner Mensch durch Analysesoftware Hessendata
Darüber hinaus ermöglichen Änderungen des HSOG die automatisierte Datenanalyse mit Hilfe der Analysesoftware Hessendata der US-Firma Palantir. In die Datenanalyse fließen große Mengen personenbezogener Daten ein: Aus Polizeidatenbanken, aus der Telefonüberwachung, ausgelesene Handydaten aber auch externe Daten, beispielsweise aus den sozialen Medien oder von anderen Behörden angefragte Daten. Mit der komplexen Datenanalyse will die Polizei Netzwerke und Strukturen durchleuchten, um künftige Straftaten zu verhindern. Wer in den Fokus einer Datenanalyse gerät, wird schnell zum gläsernen Menschen. Von der Analyse als Beifang mitbetroffen sind zudem zahlreiche weitere Personen: Die gleiche Adresse oder der gleiche Fußballverein können schon ausreichen, damit die Software Verbindungslinien zieht.
Die Schwere des Grundrechtseingriffs erfordert eine konkrete Gefahr. Hessendata darf jedoch bereits im Vorfeld einer konkreten Gefahr zur vorbeugenden Straftatenverhütung eingesetzt werden.
Neue Befugnisse für den Hessischen Verfassungsschutz
Mit der Novelle wurde das auch Hessische Verfassungsschutzgesetz (HSVG) umfassend überarbeitet. Die Voraussetzungen für die Überwachungsmaßnahmen sind viel zu niedrig: Der Verfassungsschutz kann beispielsweise verdeckte Ermittler und V-Leute einsetzen sowie Auskunftsersuche an Verkehrsunternehmen stellen, wenn dies zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist und ohne, dass eine tatsächliche Gefahrenlage vorliegen muss. Einmal erhobene Daten kann der Verfassungsschutz nahezu voraussetzungslos an andere öffentliche Stellen und an ausländische Regierungen weiterleiten. Betroffene selbst haben nur sehr eingeschränkte Auskunftsrechte darüber, welche Daten über sie erhoben wurden.
Staatlicher Eingriff in Freiheitsrechte
Auch in Hessen geht die Ausdehnung von Polizei- und Verfassungsschutzbefugnissen mit gravierenden Eingriffen in die Freiheitsrechte einher. Für einen ungewissen Gewinn an Sicherheit nimmt die Landesregierung schwerwiegende Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und eine massive Gefährdung von IT-Systemen weltweit in Kauf.
Die Verfassungsbeschwerde wird von sieben Beschwerdeführer*innen vorgebracht. Darunter sind neben dem HU-Regionalvorsitzenden Franz Josef Hanke auch die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, Klaus Landefeld als Vorstandsmitglied des Verbands der Internetwirtschaft eco und DE-CIX Aufsichtsrat sowie Silvia Gingold, Lehrerin in Ruhestand und Tochter des jüdischen Widerstandskämpfers Peter Gingold, die aufgrund ihres antifaschistischen Engagements seit ihrer Jugend unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht.
Hintergrundinformationen
Presse
Hier finden Sie unsere aktuelle Pressemitteilung.
Die GFF koordiniert und finanziert mehrere Klagen gegen die Polizeirechtsverschärfungen in den Bundesländern. Mit unseren Partner*innen haben wir bereits Verfassungsbeschwerde gegen die neuen Polizeigesetze in Bayern und Baden-Württemberg eingereicht.
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