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Das Freiwillige Digitale Jahr – Wann, wenn nicht jetzt?

Das Freiwillige Digitale Jahr ist seit langer Zeit eine Forderung von D64. In einem solchen Freiwilligendienst können junge Menschen mit ihren technischen Fähigkeiten einen Beitrag für die Digitalisierung der Gesellschaft leisten.

Gründe für einen weiteren Freiwilligendienst
Es gibt bereits vier Arten des Freiwilligendienstes: das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ), das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) , der Bundesfreiwilligendienst (BFD) und der Internationale Jugendfreiwillligendienst (IJFD).
Eine Ergänzung um das Freiwillige Digitale Jahr (FSJ digital) wäre aus mehreren Gründen sinnvoll:

1. Digitale Abstände schließen

Während die Mehrheit unserer Gesellschaft immer mehr und intensiver von digitalen Angeboten Gebrauch macht, gibt es einen Teil der Gesellschaft, der droht, digital und damit auch gesellschaftlich abgehängt zu werden. Freiwilligendienstleistende könnten bei der Schließung dieser Lücke einen großen Beitrag leisten – und die Alten von den Kenntnissen der Jungen profitieren.

2. Digitale Bildung unterstützen

Offiziell ist die Digitalisierung zwar Teil der Lehrpläne, praktisch sieht das aber anders aus: viele Lehrenden sind mit dem Lehrstoff und den diversen Ansprüchen, die inzwischen an sie gestellt werden, überfordert. Freiwilligendienstleistende könnten die Lehrenden bspw. direkt im Unterricht, oder auch indirekt mit außerschulischen Angeboten (bspw. AGs) unterstützen. Sie können als digitale Hausmeister*innen Schulen bei der IT-Administration helfen. Vor allem können sie in der Lehrer*innenfortbildung eine nachhaltige Wirkung entfalten.

Es ist nicht erst seit Beginnder Pandemie bekannt, dass es im Bildungsbereich bundesweit an allen Stellen an Ressourcen und Know-how rund um das Thema Digitalität fehlt. Hier könnten diverse Expertisen im Rahmen des Freiwilliendienstes passgenau eingesetzt werden. Junge Menschen könnten so einen wichtigen Beitrag leisten, um Bildungsinstitutionen aller Art zu unterstützen. Das wäre nicht nur ein wirksamer, sondern auch ein nachhaltiger Ansatz für die Entwicklung der Bildungsstandorte und Kommunen in einer Kultur der Digitalität.

3. Digitale Berufszweige fördern

Der Freiwilligendienst bietet eine hervorragende Gelegenheit, ein Berufsfeld besser kennenzulernen, Wissen und praktische Fähigkeiten zu erwerben und das eigene Selbstbewusstsein zu stärken. Das FSJ digital kann dabei helfen, mehr Menschen für digitale und technologische Berufe zu begeistern und damit langfristig zur Attraktivität Deutschlands als Wirtschaftsstandort beizutragen. Das kann gerade junge Frauen ermutigen, ein solches Tätigkeitsfeld auszuprobieren.

Einsatzbereiche für Freiwilligendienstleistende gibt es zu Genügend. Sie könnten beispielsweise Websiten oder Apps für gemeinnützige Projekte entwickeln, unerfahreneren Computernutzer*innen technische Hilfstellung geben, Projekte im Bereich digitale Bildung unterstützen oder eine Netzkampagne in den Sozialen Medien organisieren.

Bisherige Pilotprojekte erfreuen sich hoher Nachfrage
Bisher wird das FSJ digital nur in Modellprojekten in einzelnen Bundesländern und Verbänden ausprobiert. 2015 sind Pilotprojekte in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt gestartet.

In Rheinland-Pfalz ist das Modell trägeröffen und spricht alle interessierten Freiwilligendienstleistende an. Sie können sich mit einer Projektidee bewerben, nehmen an einer ergänzenden fünftägigen Weiterbildung teil und können mit bis zu 1000 € für ihr Projekt unterstützt werden.

In Sachsen-Anhalt wurde das FSJ digital im Landesverband des Deutschen Roten Kreuz ausprobiert. Dort organisieren Freiwillige „Digitale Cafés“, bei denen insbesondere ältere Menschen lernen, wie sie Online-Banking benutzen oder sicher im Internet unterwegs sein können.

Die bisherigen Pilotprojekte wurden gut angenommen. Auch in anderen Bundesländern gibt es inzwischen ähnliche Bestrebungen.

Wir fordern das Freiwillige Digitale Jahr als bundesweites Angebot
Damit solche Initiativen kein Tropfen auf dem heißen Stein sind, braucht es eine übergreifende Koordinierungshilfe, die Freiwillige und Einsatzstellen zur Seite stehen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Servicestelle netzwärts für Medienbildung im Freiwilligendienst des Kulturbüro Rheinland-Pfalz.

D64 fordert, das FSJ digital flächendeckend anzubieten und die bundesweiten Koordinierungstellen auszubauen. Wann, wenn nicht jetzt, sollte das Potential von technikaffinen jungen Menschen mit dem Digitalisierungsbedarf von gemeinnützigen und sozialen Einrichtungen verbunden werden? Wir schließen uns zudem der Forderung einer Vielzahl von Verbänden an, Freiwilligendienstleistenden kostenlose ÖPNV-Tickets zur Verfügung zu stellen.

Breaking the News? Wie die großen Plattformen sich auf politische Öffentlichkeit auswirken – und wie wir sie regulieren können

Fünf Mitglieder der AG Künstliche Intelligenz von D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt haben für die Friedrich-Ebert-Stiftung in einer Publikation die Wirkung von Onlineplattformen und deren Empfehlungsalgorithmen auf demokratische Meinungsbildung untersucht. Sowohl in Deutschland als auch auf EU-Ebene gibt es erste Initiativen, die den damit einhergehenden Risiken entgegenwirken sollen. Das Fazit von Maximilian Gahntz, Katja Neumann, Philipp Otte, Bendix Sältz und Kathrin Steinbach: Die Richtung stimmt, doch wir brauchen mehr Forschung.

Australischen Facebook-Nutzer:innen, die Mitte Februar einen Blick auf ihren Facebook-Feed warfen, präsentierte sich ein ungewohntes Bild: ein Feed ohne Nachrichten. Denn im Machtkampf um ein Gesetzesvorhaben der australischen Regierung, das Plattformen wie Facebook oder Google dazu zwingen sollte, Medienhäuser für nachrichtliche Inhalte zu vergüten, ließ Facebook seine Muskeln spielen – und nahm Nutzer:innen die Möglichkeit, solche Inhalte auf der Plattform zu sehen und zu teilen. Zwar konnte sich Facebook nach wenigen Tagen mit der australischen Regierung auf einen Kompromiss einigen, doch zeigt das Manöver, welch große Rolle Plattformen heutzutage in unserer politischen Öffentlichkeit spielen.

Der Konsum von Nachrichten verschiebt sich zunehmend in digitale Räume. So ergab eine Umfrage des Reuters Institute for the Study of Journalism der Universität Oxford aus dem vergangenen Jahr, dass 37 Prozent der Befragten in Deutschland soziale Medien als Nachrichtenquelle nutzen, mit steigender Tendenz. Zum Vergleich: Bei traditionellen Printnachrichten liegt dieser Anteil nur noch bei einem Drittel der Befragten. Große Plattformen – oder auch “Medienintermediäre” – wie Facebook, Twitter oder Google setzen dabei nicht nur Verlage und andere Medienunternehmen wirtschaftlich unter Druck. Sie verändern auch, wie Nachrichten präsentiert werden, wie wir mit Inhalten umgehen und wie gesellschaftliche Debatten geführt werden. Doch wie genau zeigen sich diese Verschiebungen in der Medienlandschaft? Welche Auswirkungen haben sie auf politische Öffentlichkeit? Und wie kann die Politik dem begegnen, um sicherzustellen, dass diese Umwälzungen unsere Demokratie nicht untergraben?

Tausche Pressekodex gegen Werbeerlöse

Wer welche Inhalte im Facebook-Feed, in YouTube-Empfehlungen oder in Google-Suchergebnissen vorfindet, entscheidet keine Chefredaktion. Stattdessen sind hier die Algorithmen der Medienintermediäre am Werk. Diese bestimmen auf Basis von früheren Interaktionen und Nutzer:innendaten, welche Inhalte in welcher Reihenfolge angezeigt werden – wer also besonders häufig Videos anschaut und Tweets von D64 retweetet, bekommt in Zukunft mehr Videos und D64-Tweets angezeigt. Ziel ist dabei in der Regel, Nutzer:innen möglichst lange auf der Plattform zu halten. Denn die bedeutendsten Intermediäre sind nicht nur soziale Netzwerke oder Suchmaschinen, sondern auch die größten Werbekonzerne der Welt. Eine längere Nutzungsdauer bedeutet für diese also vor allem auch: höhere Werbeerlöse. Wie genau ihre Algorithmen funktionieren und nach welchen Kriterien Inhalte sortiert werden, geben die Intermediäre kaum preis. Klar scheint jedoch, dass journalistische Qualität und nachrichtliche Relevanz dabei nachrangig sind.

Dieser Grundlogik entspringt eine ganze Reihe von Problemen. So bleibt etwa die algorithmische Kuratierung für Nutzer:innen intransparent und wird häufig sogar als vermeintlich “objektiv” wahrgenommen. Auch versprechen “Clickbaiting” und emotionalisierende Inhalte höhere Reichweiten für Onlinemedien. Nicht zuletzt wird häufig darauf verwiesen, dass Intermediäre durch ihre Algorithmen dazu beitragen, dass sogenannte Filterblasen und Echokammern entstehen – (digitale) Räume, in denen vorhandene Meinungen und Haltungen nicht nur reproduziert, sondern auch verstärkt werden. Zwar ist das Konzept plausibel, jedoch nicht zweifelsfrei erwiesen. Die Forschung legt vielmehr nahe, dass sich verschiedene Funktionen und Designentscheidungen der Plattformen sehr unterschiedlich auf Nachrichtenkonsum und politische Meinungsbildung auswirken können. So wird auch klar: Wir haben noch lange kein umfassendes, tiefgehendes Verständnis vom Umgang mit und den Auswirkungen von Onlineplattformen.

Das Ende des Wild Wild Web?

Diese Probleme haben auch längst die Aufmerksamkeit der Politik geweckt. Nachdem die Intermediäre jahrzehntelang weitestgehend unbehelligt ihre Geschäftsmodelle ausbauen konnten, wollen Gesetzgeber nun neue regulatorische Leitplanken setzen. Den Anfang machten dabei in Deutschland die Bundesländer mit dem im November 2020 in Kraft getretenen Medienstaatsvertrag (MStV). Seitdem dürfen Intermediäre bestimmte Anbieter:innen von Medieninhalten nicht systematisch bevorzugen oder benachteiligen, beispielsweise Inhalte einer bestimmten Partei stets besonders prominent darstellen. Hiergegen können sich Landesmedienanstalten oder Anbieter:innen von Medieninhalten künftig wehren – wobei der Nachweis vor Gericht nicht einfach werden dürfte.

Damit Nutzer:innen künftig bewusster mit den ihnen angezeigten Medieninhalten umgehen können, müssen Intermediäre zudem transparent machen, nach welchen Kriterien sie Inhalte auf ihren Seiten platzieren und wie ihre Algorithmen funktionieren. Das könnte insbesondere dabei helfen, Nutzer:innen die der Inhaltsauswahl zugrunde liegenden Wertentscheidungen deutlich zu machen. Noch wirkmächtiger könnte die Regelung werden, wenn Nutzer:innen etwa auch eine rein chronologische Sortierung auswählen könnten.

Die EU will große Plattformen in die Pflicht nehmen

Auf europäischer Ebene könnten Intermediäre in naher Zukunft durch den Digital Services Act (DSA) reguliert werden: Der im Dezember 2020 veröffentlichte Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission stellt spezielle Anforderungen an besonders große Plattformen, die monatlich im Durchschnitt mindestens 45 Millionen EU-Nutzer:innen haben. Im Hinblick auf die Transparenz von Empfehlungsalgorithmen müssten sie die Hauptkriterien der Algorithmen in klarer, zugänglicher und leicht verständlicher Weise in ihren Nutzungsbedingungen offenlegen. Zudem sollen Nutzer:innen die Wahl zwischen personalisierten und nicht-personalisierten Empfehlungen haben.

Gleichzeitig möchte die Europäische Kommission den Datenzugang sowohl für Aufsichtsbehörden als auch für Forscher:innen stärken: So könnten nationale Aufsichtsbehörden und die Kommission von großen Plattformen auf Antrag die nötigen Daten erhalten, um Compliance-Prüfungen durchzuführen. Zudem sollen unabhängige Forscher:innen mit entsprechender Expertise Zugang zu Daten bekommen, wenn sie Forschungsprojekte zu „systemischen Risiken“ dieser Unternehmen umsetzen. Der DSA-Entwurf verpflichtet somit insbesondere große Plattformen zu mehr Transparenz und stärkt die Autonomie der Nutzer:innen. Der DSA würde so in mancher Hinsicht noch weiter gehen als der MStV und zugleich zu einer Harmonisierung der Regeln auf europäischer Ebene beitragen – bis er jedoch beschlossen und rechtskräftig ist, werden wohl noch mehrere Jahre ins Land ziehen.

“Mit Geduld und Vorstellungskraft können wir demokratische Werte auch in einem drastisch veränderten Mediensystem verankern.”

Wohin führt der Weg?

Über das Zusammenspiel von Intermediären und politischer Öffentlichkeit wissen wir immer noch wenig. Der Stand der Forschung liefert erste Einblicke, doch ein tiefgehendes Verständnis der verschiedenen Wirkmechanismen und Probleme fehlt. Es sollten deshalb keine überstürzten Lösungen für Probleme vorangetrieben werden, die in vielerlei Hinsicht noch nicht verstanden sind. Doch nicht alle Initiativen kommen zu früh. Bereits heute werden die Grundlagen dafür geschaffen, die beschriebenen Herausforderungen langfristig zu überwinden. Der Medienstaatsvertrag und der DSA-Entwurf sind dabei Schritte in die richtige Richtung, doch greifen teils zu kurz.

Um Forschung zu Intermediären und ihre demokratische Kontrolle zu fördern, braucht es vor allem Transparenz. Ein umfassender Datenzugriff für Aufsichtsbehörden, Forscher:innen und die Zivilgesellschaft ist dabei essenziell. Damit sich Bürger:innen in unserer Demokratie frei und unabhängig informieren und eine Meinung bilden können, gilt es zudem, ihre Autonomie im Umgang mit Intermediären zu stärken. Das umfasst in einem ersten Schritt stärkere Transparenz im Hinblick auf die Funktionsweise von Empfehlungsalgorithmen. Darüber hinaus sollten Nutzer:innen aber auch aktiv in die Personalisierung einwilligen und, falls sie dies tun, mehr Einfluss auf die der Personalisierung zugrunde liegenden Kriterien ausüben können.

Soziale Medien und Suchmaschinen werden auf absehbare Zeit nicht verschwinden – aus gutem Grund. Sie schaffen neue Möglichkeiten für Austausch und Partizipation und können dabei helfen, Informationen auffindbar und sortierbar zu machen. Die Uhr zurückzudrehen ist keine Lösung. Denn sicherlich möchten sich nicht alle Australier:innen über Facebook informieren, aber viele eben doch. Die diskutierten Risiken, die damit einhergehen, können im Zaum gehalten werden – sofern Intermediäre an klare Regeln gebunden sind. Das ist keine einfache Aufgabe. Doch mit Geduld und Vorstellungskraft können wir demokratische Werte auch in einem drastisch veränderten Mediensystem verankern.

D64diskutiert: Digitale Souveränität durch Innovation – Startups in Europa

Google wurde 1998 als Startup gegründet, Facebook 2004. Heute sind sie mächtige globale Player und keine klassischen Startups mehr. Aber muss das für immer gelten? Nein, natürlich nicht.
89% der Fortune 500 Unternehmen von 1955 waren 2014 nicht mehr auf der Liste. Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind Nokia, IBM und zu einem gewissen Maß auch Microsoft.
Unsere Industrie sieht dagegen eher alt aus in der Plattformökonomie. Ist der Zug für uns – das Land der Ingenieure – abgefahren oder können wir mit deutschen Startups dafür sorgen, dass die Karten neu gemischt werden? Kann es so etwas wie einen digitalen deutschen Mittelstand geben?

Wie können wir als Deutsche in Europa in der Gigabit Gesellschaft wieder stärker von der Anwender:in zur Gestalter:in werden? Welche Kompetenzen benötigen wir, damit uns die Fähigkeit, Innovationen zu gestalten, nicht entgleitet? Es muss Alternativen zu den großen Plattformen geben – mit echten Chancen für lokale Anbieter:innen. Welche Rolle spielen dabei Fragen wie Interoperabilität, öffentliche Beschaffung und Open Data – denn Daten sind nicht das Öl, sondern eher das Grundwasser unserer digitalen Gesellschaft.

Diese Themen besprechen wir bei #D64diskutiert am 1. April um 20 Uhr mit:

  • Saskia Esken, Vorsitzende der SPD und langjährige Digitalpolitikerin
  • Janina Mütze, Gründerin und CEO von Civey

Der Stream wird hier auf d-64.org, auf Twitter und unserem YouTube-Kanal zu finden sein.

D64 fordert das Bundesinnenministerium auf, keine verfassungswidrigen Gesetze vorzuschlagen!

Die derzeit anstehende Novelle des Telekommunikationsgesetzes scheint von Seiten des Ministeriums des Inneren, für Bau und Heimat (BMI) zur Durchsetzung einer verfassungsrechtlich mehr als zweifelhaften Wunschliste für massive und unverhältnismäßige Überwachung zweckentfremdet zu werden. Ein durch den E-Mail-Anbieter Posteo geleaktes Papier gibt Einblick in 15 Forderungen des Innenministeriums, die im Kabinett bereits gescheitert waren. D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt widerspricht diesen Vorhaben vehement.

Identifizierungspflicht für Messengerdienste

Besonders problematisch ist die geplante Identifizierungspflicht für „nummernunabhängige Telekommunikationsdienste“. Demnach müssten E-Mail- oder Messengerdienste generell eine anonyme Nutzung ihrer Dienste unterbinden und die angegebenen Daten, wie Name, Anschrift und Geburtsdatum, sogar unter Vorlage eines entsprechenden Ausweises verifizieren. Dieser Vorschlag stellt einen massiven Eingriff in die Grundrechte der Nutzer:innen dar, die ihre persönlichen Daten fortan zwingend Facebook, Whatsapp und Google zur Verfügung stellen müssten, und ist zudem ungeeignet, die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden zu erleichtern.

Die Möglichkeit, auch anonym an gesellschaftlichen und politischen Debatten teilnehmen zu können, ist darum essenziell für die freie Entfaltung der Meinungsfreiheit und des demokratischen Diskurses. 

Personen, denen es gezielt auf die Begehung von Straftaten im Internet ankommt, können ohne Weiteres auf ausländische Dienste umsteigen, die keine Identifizierung durchführen. Während Strafverfolgungsbehörden also kaum Erfolg dabei haben werden, Personen in E-Mail- und Messengergruppen zu identifizieren, die planmäßig kriminell tätig sind, werden gleichzeitig die persönlichen Daten von Millionen von unbescholtenen Bürger:innen bei privaten Akteuren gespeichert.

D64 erneuert aus diesen Gründen seine Forderung, dass die notwendige Identifizierung von Straftäter:innen im Internet nicht über anlasslose, massenhafte Speicherung persönlicher Daten erfolgt, sondern durch gezielte Maßnahmen gegen Verdächtige, bspw. die anlassbezogene Speicherung von IP-Adressen in Einzelfällen nach richterlicher Anordnung.

Der Vorschlag birgt zudem ernstzunehmende Sicherheitsrisiken. Diensteanbieter zu verpflichten, verifizierte Personendaten wie Geburtsdatum, Name und Anschrift zu speichern, macht die Anbieter zu attraktiven Zielen für Hack-Angriffen. Im Fallen eines Datenlecks oder Angriffes könnten diese persönlichen Daten zudem zu Zwecken des Identitätsdiebstahls missbraucht werden.

Mithilfe für Staatstrojaner

Der Vorschlag des BMI beinhaltet außerdem, bestimmte Dienste zur Mithilfe bei der Implementierung von Staatstrojanern (Quellen-Telekommunikationsüberwachung) zu verpflichten. D64 lehnt den Einsatz von Staatstrojanern im Allgemeinen ab, weil sie notwendigerweise voraussetzen, dass die Sicherheitsbehörden Sicherheitslücken in den Geräten der Bürger:innen verheimlichen anstatt sie zu schließen. Die Umleitung von Datenströmen durch die Telekommunikationsanbieter wird das Vertrauen der Bürger:innen in IT-Infrastruktur massiv beschädigen und im schlimmsten Fall unbeteiligte Dritte treffen.

Datenminimierung als Prinzip aufheben

Das Innenministerium möchte zudem durch diverse, vermeintlich kleine Änderungen an Definitionen das Prinzip der Datenminimierung, wie es in der Datenschutzgrundverordnung vorgeschrieben ist, aufweichen. Derzeit dürfen Telekommunikationsanbieter grundsätzlich nur die Daten verarbeiten, die für die Vertragsdurchführung erforderlich sind. Nach dem Positionspapier soll dies grundsätzlich ausgeweitet werden auf anderen Daten, die nur zu dem erhoben werden, dass sie Sicherheitsbehörden später zur Verfügung gestellt werden können.

Innenministerium verhindert Einschätzung durch Expert:innnen

Neben der Ablehnung in der Sache protestiert D64 auch gegen die Art und Weise der Einbringungen in den Gesetzgebungsprozess. Es handelt sich um kontroverse Vorschläge, die gesellschaftlich diskutiert werden müssen. Dazu gehören unter anderem auch die Sachverständigenanhörungen im Bundestag und die Möglichkeit Stellungnahmen einzureichen. Dass das Innenmininsterium versucht die Vorschläge durch die Hintertür in den Gesetzgebungsprozess einzubringen – jenseits von Sachverständigeangehörungen  – ist ein Verstoß gegen die demokratischen Spielregeln. Auch die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Gruppen, die im Übrigen schon unter normalen Voraussetzungen stark verbesserungswürdig ist wird so effektiv verhindert. Um eine angemessene Auseinandersetzung mit den Vorschlägen zu ermöglichen, fordern wir eine zusätzliche Expert:innenanhörung zu den innen- und sicherheitspolitischen Aspekten des TKGs.

Sicherheit braucht keine Massenüberwachung

Auch im Kontext vergangener Gesetzgebungsprojekte, die immer wieder – auch von den entsprechenden Gerichten – als verfassungs- und europarechtswidrig beurteilt wurden, wie die Vorratsdatenspeicherung oder die Einführung von Staatstrojanern fordert D64 das Bundesinnenministerium auf, keine verfassungswidrigen Gesetze mehr vorzuschlagen.

Erik Tuchtfeld, Mitglied des Vorstandes fasst zusammen:

Wir verschreiben uns der Sicherheit im Netz und stellen uns gegen Hass und Ausgrenzung. Dazu bedarf es nicht der Überwachung aller Bürger:innen!“

#D64diskutiert Mitarbeitendenbeteiligung: Warum “blühende Startupszenen” ein wenig Pflege erfordern

Eine “blühende Startupszene” versprach SPD Kanzlerkandidat Olaf Scholz durch das neue Fond-Standort-Gesetz. Ein zentraler Baustein in diesem Gesetzesentwurf ist die Möglichkeit für Unternehmen Mitarbeitende einfacher zu beteiligen. Wir haben bei #D64diskutiert mit Verena Hubertz und Claudia Nagel darüber gesprochen.

Wie funktionieren MItarbeitendenbeteiligungen?

Im Wesentlichen funktioniert das so: Das Startup wird aufgeteilt und jeder Mitarbeitende erhält einen Anteil am Betrieb. Sollte das Startup eines Tages sehr viel Wert sein oder verkauft werden, erhält die entsprechende Person ein ihren Anteilen entsprechendes Stück vom Kuchen.
Derzeit wird dieses Verfahren bereits angewandt. Problem: Ein Unternehmen “aufzuteilen” ist unfassbar kompliziert und ohne externe Hilfe von Notaren nicht durchführbar.
Das Fond-Standort-Gesetz soll diesen Missstand beheben. Darüber haben wir mit Dr. Claudia Nagel, Investorin bei High Rise Ventures und Gründerin, sowie mit Verena Hubertz, Gründerin der App Kitchen Stories und D64 Mitglied und designierte SPD Bundestagskandidatin aus Trier, gesprochen.

Wie von Verena Hubertz gut beschrieben, ist eines der größten Probleme des Gesetzesentwurfs das sogenannte “dry income”. Hier fordert das Finanzamt oft schon eine Besteuerung der Unternehmensanteile ab dem ersten Tag – egal ob diese bereits eingelöst wurden oder nicht.
Dabei werden schnell sehr hohe Steuern fällig, bevor man überhaupt weiß, wie viel Wert der Anteil überhaupt werden wird.

Welche Formen von Mitarbeitendenbeteiligungen gibt es aktuell?

  1. Echte Anteile: Aufgrund der deutschen Rechtslage, machen diesen Mitarbeitenden direkt zum Gesellschafter, was konkret oft gar sehr aufwändig ist und nach der Durchführung zu extrem vielen Gesellschafter*innen in der Firma und so zu komplizierten Unternehmenskonstruktionen führt.
  2. ESOPS: (emplyee stock option plans). Dies berechtigt die mitarbeitende Person dazu, einen Unternehmensanteil zu erhalten, sind aber keine “echten” Anteile sondern lediglich die Option auf einen Anteil. Auch das ist steuerlich schwierig, da diese oft sofort nach Erhalt besteuert werden werden, also noch bevor der Mitarbeitende überhaupt davon profitiert.
  3. VSOPS: Als dritte und häufigste Option werden daher sogenannte VSOPS (virtual stock options) genutzt. Im Falle eines Verkaufs, eines Exits oder einer Rendite erhält die Mitarbeitende Person dann Anteile als ob diese Anteile hätte.Auch dies geht jedoch mit einigen Problemen einher. Für Mitarbeiter*innen aus dem Ausland ist dies oft schwer nachvollziehbar und “echte” Beteiligungen sind dies ebenfalls nicht.

Wie in verschiedenen Studien erwiesen, würde ein erheblicher Prozentsatz derer, die von Mitarbeitendenbeteiligungen profitieren würden, das Geld zurück in die Startuplandschaft investieren indem sie ihr Unternehmen weiter ausbauen oder völlig neu gründen.
Hierzu hatte auch Dr. Claudia Nagel eine klare Meinung: “Wir alle haben ein Interesse daran, das Kapital, welches in diesem Bereich verdient wurde auch wieder in den Bereich zurückzuführen, dies treibt die Innovationen!”

Was fehlt im neuen Gesetzentwurf, dem Fond-Standort Gesetz noch?

Mit dem neuen Gesetzentwurf wurden nun erstmals Regeln festgelegt, mit denen Mitarbeitendenbeteiligungen unbürokratischer durchgeführt werden können. Hier hakt es derzeit jedoch an verschieden Punkten.

Laut Gesetz ist beispielsweise eine Besteuerung der Anteile nach 10 Jahren oder nach einem Arbeitgeberwechsel vorgesehen. Beides ist äußerst unattraktiv für Mitarbeitende, da Startups wie z.B. Biontech Jahrzehnte in die Forschung investieren, bevor sie überhaupt profitabel werden. Auch Scale-Ups sind vom Gesetzesentwurf noch nicht erfasst und der Bürokratieabbau durch das neue Gesetz wäre auch nur minimal.

Was zeigen all diese Hürden? Vor allem dass “blühende Startupszenen” ein wenig Pflege bedürfen. Diese entwickeln sich nicht von alleine, sondern müssen durch eine gute Lenkung der Politik bestmögliche Voraussetzungen vorfinden.

Was wir fordern!

Wir fordern daher optimale Chancen, dazu gehört eine Änderung des vorliegenden Fond-Standort Gesetzes. Zum einen muss es Startups ermöglicht werden länger Forschung zu betreiben, zum anderen muss die Beteiligung von Mitarbeitenden so unbürokratisch wie nur möglich vonstatten gehen.

Leider ist Deutschland keine einsame Insel. Gründer*innen überlegen sich sehr genau, in welchem Land sie gründen und für Talente aus aller Welt ist Deutschland meist nur eine Option unter vielen.

Der D64 Covidbot – Corona-Infos direkt aufs Smartphone

D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt hat den Covidbot veröffentlicht. Mit Hilfe des Bots können aktuelle Zahlen mit Coronabezug, wie Infektions- und Todeszahlen oder die aktuelle Impfquote, unmittelbar für ausgewählte Orte abonniert werden. Der Bot unterstützt die Messenger Telegram, Signal und Threema. Alle Infos zur Einrichtung des Bots gibt es auf der eigens hierfür eingerichteten Webseite covidbot.d-64.org.

Relevante Informationen überall in Deutschland
Einige Länder, wie beispielsweise Baden-Württemberg, setzen zur Information ihrer Bürgerinnen und Bürger auch auf Messengerdienste. Schon die Verfügbarkeit eines solchen Angebots ist aber abhängig vom jeweiligen Wohnort, zudem werden die Informationen in der Regel nicht personalisiert, sondern einheitlich für alle Bürgerinnen und Bürger gleich versendet. „Gerade in der Corona-Pandemie gilt es aber, Bürgerinnen und Bürgern die Informationen, die für sie von Bedeutung sind, unkompliziert und komfortabel zur Verfügbarkeit zu stellen. Das schaffen die verschiedenen Bundesländer nicht gleichermaßen gut“, erklärt Erik Tuchtfeld, Vorstandsmitglied bei D64. Der Anspruch des Covidbots ist es daher, ein Informationsangebot zu schaffen, das überall in Deutschland für Interessierte einen einheitlichen und übersichtlichen Zugriff auf die für sie relevanten Zahlen dieser Pandemie herstellt.
Anne Schwarz, ebenfalls Vorstandsmitglied, betont: „Digitale Lösungen, die von der Zivilgesellschaft entwickelt werden, können entscheidend dazu beitragen, Auswirkungen der Pandemie in verschiedensten Bereichen einzudämmen. Initiativen wie #WirVsVirus haben gezeigt, wie hoch die gesamtgesellschaftliche Motivation hierfür ist.“

Open Data – Licht und Schatten
Zur Umsetzung solcher Initiativen braucht es den einfachen Zugriff auf relevante Daten. Während der Zugriff auf die Infektionsdaten des Robert-Koch-Instituts (RKI) weitgehend unproblematisch ist, gestaltet sich dies jedoch schwieriger bei anderen, weniger prominenten Daten der Pandemie. So werden sowohl die Impfdaten wie auch der R-Wert unter unklarer Lizensierung und nicht über einheitliche Schnittstellen zur Verfügung gestellt, was ihre Einbindung deutlich aufwändiger macht. Die Informationen über die Belegung der Intensivbetten konnten bis jetzt nicht eingebaut werden, weil sie lediglich von einem privaten Träger veröffentlicht werden, dessen Lizenz die Weiterverwendung nicht erlaubt. Auch die verschiedenen Corona-Maßnahmen der Landesregierungen und Kommunen werden von keiner Stelle in einer automatisiert verwertbaren Form zur Verfügung gestellt. Sönke Huster, Mitglied bei D64 und Entwickler des Bots unterstreicht: „Für zivilgesellschaftliche Projekte ist es essentiell, dass bei den öffentlichen Institutionen existierende Daten für alle frei verfügbar gemacht werden. Von Open Data profitiert letztendlich die ganze Gesellschaft!“

Open Source – Hilf uns bei der Weiterentwicklung
Der gesamte Quellcode des Projektes ist auf Github veröffentlicht. Der Bot ist in der Programmiersprache Python geschrieben. Jede und jeder ist herzlich dazu eingeladen, zur Weiterentwicklung beizutragen! Wir freuen uns über den Hinweis auf Fehler oder Anregungen für neue Funktionen.

Stellenangebot: Studentische Hilfskraft (w/m/d)

D64 ist die Denkfabrik des digitalen Wandels. Unsere über 650 Mitglieder bundesweit sind von der gesamtgesellschaftlichen Auswirkung der digitalen Transformation auf sämtliche Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens überzeugt und wollen diese progressiv und inklusiv gestalten. Dabei liefern wir Impulse, um die digitale Transformation zum positiven Gelingen zu bringen. D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V. wurde 2011 gegründet und ist gemeinnützig, überparteilich und unabhängig. Uns ist es ein Anliegen, Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur, Zivilgesellschaft, Bildung und Politik zusammenzubringen.

Zur Koordinierung der Vereinsarbeit und Unterstützung des ehrenamtlichen Vorstands suchen wir zum 1. März 2021 (oder früher) für 15 Stunden/Woche eine Studentische Hilfskraft (m/w/d).

Aufgabenprofil:

  • Koordinierung der inhaltlichen Arbeit und Unterstützung bei der Erstellung von Positionspapieren (Recherchen, Lektorat inkl. begleitender kommunikativer Tätigkeiten)
  • Externe Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere das Verfassen von Blogbeiträgen und Inhalte für Soziale Netzwerke
  • Kampagnen- und Veranstaltungsorganisation (z.B. jährlicher Neujahrsempfang und Superklausur der Mitglieder)
  • Unterstützung der Ansprechpersonen für die inhaltlichen Arbeitsgruppen sowie die Regionalgruppen von D64
  • Operative Unterstützung des Vorstandes

Das bringst Du mit:

  • Interesse an der digitalpolitischen Zukunft und den Willen zur aktiven Mitgestaltung
  • Hohes Maß an Eigenständigkeit und Eigenverantwortung, Strukturiertheit und organisatorischem Geschick, sowie Freude daran, in einer flachen Struktur Verantwortung zu übernehmen
  • Die Fähigkeit, Dich schnell und zuverlässig in neue Sachverhalte einzuarbeiten
  • Hilfs- und Einsatzbereitschaft, Teamgeist und Empathie gehören ebenso zu Deinen Stärken, wie Flexibilität und Belastbarkeit
  • Gute Kenntnisse im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Social Media
  • Grundlegende Kenntnisse in einem Bildbearbeitungsprogramm zur Erstellung von Inhalten für Social Media (falls Kenntnisse noch nicht vorhanden, Bereitschaft dazu diese schnell zu erlernen)
  • Erste Arbeitserfahrung im politischen Bereich

Das bieten wir Dir:

  • Flexible Arbeitszeitgestaltung mit einer angepeilten Wochenarbeitszeit von 15 Stunden
  • Attraktive Vergütung: 910€ / Monat bei 15 Stunden pro Woche.
  • Die Möglichkeit ohne feste Präsenzzeit, auch nach der Pandemie, mobil dort zu arbeiten, wo du möchtest
  • Möglichkeiten der Vernetzung mit Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern in der Digitalpolitik, sowie mit mehr als 650 digital affinen Vereinsmitgliedern
  • Eine verantwortungsvolle Position mit hoher Entfaltungsmöglichkeit und Gestaltungskompetenz

Bitte bewirb dich bis zum 14. Februar 2021 über dieses Formular. Für Rückfragen steht Dir Anna Lob ([email protected]) gerne zur Verfügung!

So startet D64 in das neue Jahr 2021

Wir wünschen all unseren Mitgliedern, FreundInnen und UnterstützerInnen ein frohes und gesundes neues Jahr 2021! Dieses Jahr steht viel an: zum einen gilt es weiter die Corona Pandemie zu bekämpfen. Zum anderen ist 2021 ein Superwahljahr mit sechs Landtagswahlen und der Bundestagswahl.

Auch digitalpolitisch gibt es viele wichtige Themen: die EU Kommission hat im Dezember einen Vorschlag zum Digital Services Act vorgelegt, welcher nun von Europaparlament und Ministerrat bearbeitet wird. Die Pandemie hat spätestens jetzt gezeigt: Digitalpolitik und die Digitalisierung können keine Nebendarstellerinnen im politischen Betrieb bleiben, sondern gehört zu den wichtigsten Politikfeldern unserer Zeit. Die Digitalisierung von Schulen und Bildung, sowie die Fragen, welche sich daraus ergeben, werden uns auch in diesem Jahr begleiten.

Wie wir die Digitalisierung sozial gerecht und progressiv gestalten können, haben wir als Verein im Rahmen mehrerer Veranstaltungen und Aktionen erörtert und diskutiert. Beginnend mit unserem letzten größeren Präsenzevent – dem Neujahrsempfang 2020 – über unsere neue digitale Reihe #D64diskutiert bis hin zu unserer digitalen Superklausur im Dezember, haben wir Raum für Diskurs geboten und unsere Positionen als Verein entwickelt.
Daneben haben unsere Mitglieder Stellungnahmen zur Urheberrechtsreform und dem Weißbuch KI der Europäischen Union erarbeitet. Wir haben Beiträge und Forderungen zu Nachhaltigkeit, Kidfluencing und Digitalen Wahlen veröffentlicht. Außerdem haben wir die Grundbedigungen für eine zukunftsfähige Bildung ausformuliert.

Einer unserer wichtigsten Erfolge haben wir bei der Entwicklung der Corona-Warn-App erreicht: Mit einem offenen Brief an den Gesundheitsminister Jens Spahn und Kanzleramtsminister Helge Braun, konnten wir auf eine datenschutzfreundliche Gestaltung hinwirken. Unser Co-Vorsitzender Henning Tillmann beobachtete die Entwicklung der App von Beginn an intensiv und kommentierte die Ereignisse aus D64-Perspektive, wie beispielsweise in diesem Artikel für Zeit Online.

Auf diese Arbeit werden wir 2021 weiter aufbauen. Mit unserem im Dezember neu gewählten Vorstand werden wir das Superwahljahr nutzen, um weiterhin eine Vision für eine partizipative und gerechte digitale Zukunft zu entwickeln. In unserer Veranstaltungsreihe #D64diskutiert werden wir weiter mit Expertinnen und Experten aktuellen digitalpolitische Themen diskutieren. Pünktlich zur Bundestagswahl werden wir erneut unseren Digitalthesencheck launchen, mit dem sich die unterschiedlichen digitalpolitischen Positionen der Parteien vergleichen lassen. Mit unseren weiteren Angeboten wie dem D64-Ticker unserem Quarterly Newsletter informieren wir zudem regelmäßig zu aktuellen digitalpolitischen Themen und wollen eine gemeinsame Diskussionsgrundlage fördern.

Nachdem wir inzwischen fast 650 Mitglieder zählen, arbeiten wir parallel intern stark daran, unsere regionalen Strukturen und unseren Netzwerkcharakter zu fördern. Ein besonderes, richtungsweisendes Highlight wird zudem das aktuelle Projekt unseres Beirats: gemeinsam erarbeiten unsere Beirätinnen eine Utopie für eine digitale Zukunft 2030, die unsere Arbeit und Vision bereichern soll. Mit diesen Projekten starten wir motiviert das neue Jahr. Wir wollen Digitalisierungsprozesse auch in diesem Jahr entsprechend unseres Mission Statements konstruktiv begleiten. Wir freuen uns stets auf engagierte MitstreiterInnen und wenn ihr euch an unserer Mission beteiligen wollt, geht’s hier direkt zum Mitgliedsantrag.

Gemeinsam für einen realistischen Beteiligungsprozess!

28 Stunden für einen 108-seitigen und 48 Stunden für 465-seitigen Referentenentwurf. Solche Fristen für Stellungnahmen sind für (teils ehrenamtliche) Vereine, Verbände und NGOs kaum zu stemmen und verhindern demokratische Teilhabe.

Aus diesem Grund sind wir, D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt, Mitunterzeichner des offenen Briefes „Angemessene Fristen statt Scheinbeteiligung“ an alle Bundesministerinnen und -minister. Darin fordern wir als breites Bündnis die, in §47 Abs. 3 der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien festgelegte, „rechtzeitige Beteiligung von Zentral- und Gesamtverbänden sowie von Fachkreisen“ unter realistischen Gesichtspunkten einzuhalten, um den angemessenen Einfluss vorhandener Erfahrungen und Expertisen zu ermöglichen. Zudem machen wir Vorschläge zur Bereitstellung von Synopsen, die Veröffentlichung der Referentenentwürfe und die Öffnung des Kommentierungsprozesses.

Der offene Brief

Angemessene Fristen statt Scheinbeteiligung

Sehr geehrte Bundesminister*innen,

die Beteiligung von Zivilgesellschaft und Verbänden an Gesetzgebungsprozessen ist ein elementarer Bestandteil unserer Demokratie. Deshalb ist in § 47 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) auch eine „möglichst frühzeitige“ Zuleitung an Verbände vorgesehen.

Leider werden seitens der Bundesministerien in zunehmendem Maße Stellungnahmen zu Gesetzesvorschlägen in weniger als drei Arbeitswochen – teilweise von gerade einmal wenigen Werktagen – erwartet. Trauriger Tiefpunkt waren im Dezember 2020 die Anfragen zu Stellungnahmen für den 4. Referentenentwurf zum IT-Sicherheitsgesetz 2.0 mit einer Kommentierungsfrist von 28 Stunden (bei 108 Seiten) und zur Novellierung des Telekommunikationsgesetzes mit einer Frist von 2 Tagen (bei 465 Seiten).

Wir, die unterzeichnenden Vereine, Stiftungen, Initiativen und Verbände dieses Briefes, fordern Sie als Ressortleiter*in auf, die Verbändebeteiligung als wichtiges Werkzeug demokratischer Teilhabe zukünftig wieder ernsthafter zu verfolgen. Die Einbindung von Zivilgesellschaft und Verbänden liefert wichtige inhaltliche Anregungen, ermöglicht es, Meinungen und Expertise aus Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft einzuholen und wirkt der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft und der Politikverdrossenheit entgegen. Wir sehen daher folgenden Handlungsbedarf:

1. Angemessene Fristen für die Kommentierung von Gesetzesentwürfen

Expertise benötigt Zeit. Unser Anspruch ist, Ihnen fundierte Rückmeldung aus unseren jeweiligen Fachgebieten zu den Gesetzgebungsvorhaben zu liefern. Die Einbeziehung unserer Fachexpert*innen benötigt jedoch immer einen ausreichenden Vorlauf. Dies gilt insbesondere für Organisationen, die auf dem Engagement Ehrenamtlicher fußen. Diesen ist es rein organisatorisch nur schwerlich möglich, eine fundierte Stellungnahme innerhalb weniger Tage auszuarbeiten.

Wir erwarten daher, bei allen künftigen Gesetzgebungsprozessen mindestens vier Arbeitswochen für die Anfertigung von Stellungnahmen einzuräumen. Die Bemessung der Frist sollte sich zudem an der Länge eines Entwurfes orientieren. Denkbar wäre eine Festschreibung von je einer Woche für je 50 Seiten Entwurfsdokument, nicht jedoch weniger als vier Wochen.

2. Bereitstellung von Synopsen zur besseren Vergleich- und Nachvollziehbarkeit

Insbesondere wenn, wie im Falle des IT-Sicherheitsgesetzes 2.0, innerhalb weniger Wochen neue Referentenentwürfe geteilt werden, sollte den Anfragen nach Stellungnahme eine Synopse zur vorherigen Version zur besseren Nachvollziehbarkeit der Änderungen beigefügt werden.

3. Veröffentlichung der Referentenentwürfe auf den Websites der Ministerien

Im Sinne eines transparenten Gesetzgebungsprozesses sollten sämtliche Referentenentwürfe, für die Stellungnahmen bei Verbänden eingeholt werden, und Synopsen öffentlich zugänglich sein. Die Entwürfe sollten zeitgleich mit ihrem Versand an die Verbände auf den Websites der Bundesministerien veröffentlicht werden.

4. Eine Öffnung des Partizipationsprozesses

Die Beteiligung der Zivilgesellschaft sollte weiter vereinfacht werden. Nach dem Vorbild der Online-Konsultationsverfahren der Europäischen Union sollte neben der Veröffentlichung aller Referentenentwürfe und Synopsen auch die Kommentierungsmöglichkeit für weitere zivilgesellschaftliche Akteure geöffnet werden. Bisher handelt es sich um eine intransparente Auswahl durch die federführenden Ministerien.

Sehr geehrte Bundesminister*innen, wir verstehen unsere Vorschläge als Beitrag zu einem demokratischeren, kooperativeren und inklusiveren Gesetzgebungsprozess und sehen hinsichtlich der Einräumung längerer Kommentierungsfristen dringenden Handlungsbedarf. Anbei finden Sie eine exemplarische Auflistung vergangener Gesetzgebungsvorhaben mit unzureichenden Fristen.

Mit freundlichen Grüßen

Gesellschaft für Informatik e.V. (GI)

Stiftung Neue Verantwortung

eco – Verband der Internetwirtschaft e. V.

Open Knowledge Foundation Deutschland

Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.

Transparency International Deutschland e.V.

Chaos Computer Club (CCC)

BITMi – Bundesverband IT-Mittelstand e.V.

Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e. V.

IfKom – Ingenieure für Kommunikation e. V.

Digitale Gesellschaft e.V.

LOAD e.V. – Verein für liberale Netzpolitik

D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e. V.

IEN Initiative Europäischer Netzbetreiber

Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD) e. V.